CDU MdB Arnold Vaatz: Bemerkungen zur Energiepolitik in Deutschland
Bemerkungen zur Energiepolitik in Deutschland
von Arnold Vaatz
1 Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – Genesis und Wirkungswie se
2 Die Kosten des EEG (allgemeiner Teil)
3 Die Kosten des EEG (spezieller Teil)
4 Zur Grundlastfähigkeit von Sonnen- und Windstrom
5 Zusammenfassung
6 Quellen
Die Bundesregierung stellt in ihrem Energiekonzept von 2010 an die Energieversorgung drei Anforderungen: Sie soll wirtschaftlich (sowohl aus der Sicht der Wirtschaft als auch der Verbraucher), sicher und umweltschonend sein. Um dies zu erreichen, soll bis 2050 60 % des Bruttoenergieverbrauchs und 80 % der Stromerzeugung von sogenannten Erneuerbaren Energien abgedeckt werden. Am 30. Juni 2011 präzisierte der Deutsche Bundestag diese Pläne durch die Forderung, bis zum 31. Dezember 2022 vollständig auf die Stromerzeugung aus Kernenergie zu verzichten. Die Unternehmen RWE und E.on reichten daraufhin Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, Vattenfall rief das internationale Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten in Washington an. Die Entscheidungen in diesen Fragen stehen aus.
Wohl wissend, dass die Stromerzeugung nur etwa 15 % des Energieverbrauches in Deutschland ausmacht, möchte ich mich in meinen Ausführungen ausschließlich auf die Strombereitstellung konzentrieren, da ich hier den größten Korrekturbedarf sehe.
Ich möchte mich mit folgenden Fragen befassen:
• Sind die energiepolitischen Ziele vernünftig und erreichbar?
• Bewirkt die implementierte Gesetzeslage eine den genannten Anforderungen entsprechende Energiebereitstellung?
Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität und setzt sich fort mit der Wahl der Worte. Diese können die Realität korrekt beschreiben oder auch verbergen – je nach politischer Absicht. Der Terminus Erneuerbare Energie gehört zur letzteren Kategorie. So wie der Begriff Genmais suggeriert, gewöhnlicher Mais habe keine Gene und der Begriff CO2-freie Gesellschaft es sei möglich ohne die Abgabe von CO2 in die Atmosphäre zu leben, ist auch der Begriff Erneuerbare Energie ein Appell an den physikalischen Analphabetismus der Gesellschaft – denn dass Energie nicht erneuert sondern verschiedene Energieformen lediglich ineinander umgeformt werden können, lernt man bekanntlich im ersten Jahr des Physikunterrichtes. Ich vermeide den Begriff Erneuerbare Energien oder dessen Koseform "Die Erneuerbaren", indem ich stattdessen von alternativen Stromerzeugungsformen spreche -es sei denn, ich muss ihn zitieren – etwa im Kürzel EEG für Erneuerbare Energien Gesetz.
Eines der allgegenwärtigen neuen politischen Prinzipien des 21. Jahrhunderts – oder wenigstens seiner ersten beiden Jahrzehnte – ist die umfassende Ökologisierung aller politischen Disziplinen. Insbesondere die Energiepolitik in Deutschland und der Europäischen Union ist heute faktisch eine Unterdisziplin der Klimaschutzpolitik. Die wiederum beruht auf der Annahme von der Klimaschädlichkeit einer erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Gegen diese Annahme mehren sich Zweifel. Ich verweise auf das 2012 erschienene Buch „Die Kalte Sonne“ von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning [1]. Die Vermutung, eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre bewirke eine gefährliche Temperaturerhöhung auf der Erde, stützt sich auf Prognose-Modellrechnungen. Eine empirische oder experimentelle Verifikation steht aus. Für die seit mehr als 10 Jahren stagnierende Erdtemperatur bei rasant ansteigender CO2-Konzentration haben die Behaupter des CO2-getriebenen Klimawandels keine plausible Erklärung. Bohrkernanalysen aus der Antarktis zeigen zudem, dass bei Klimaveränderungen in der Erdgeschichte in der Regel die CO2-Konzentration in der Atmosphäre der Temperaturveränderung folgte und nicht vorausging – was wenig überraschend ist, weil dies exakt die Veränderungen der Phasenveränderungen im Meer bei sich ändernden Temperaturen abbildet. Es stimmt allerdings, dass die Mehrzahl der Klimaforscher noch immer der CO2-Erderwärmungsthese anhängt. Nur entscheiden eben über physikalische Gesetzmäßigkeiten und Sachverhalte keine Mehrheiten. Fällt die Klimaprämisse, dann verkehrt sich die von Deutschland reklamierte energiepolitische Vorreiterrolle in der Welt in eine Vorreiterrolle bei historisch wohl beispiellosen Fehlallokationen, die die kommenden Generationen von einer völlig anderen Seite als erwartet belasten werden.
Aber auch, wenn das CO2 der allgemein behauptete Klimakiller sein sollte, erhebt sich die Frage, ob die erbringbaren deutschen oder europäischen Beiträge zur Emissionsminderung an der Weltsituation etwas ändern und ob nicht die – in Deutschland freilich erfolgreich tabuisierte – Diskussion über eine Anpassung an die Klimaveränderung mehr Erfolg verspricht als die Diskussion um deren Vermeidung.
Und schließlich: Wenn das CO2-Minderungsziel in der Tat dem Klimaschutz dienen sollte, erhebt sich die Frage, inwieweit der energiegesetzliche Rahmen dazu beiträgt, es zu erreichen. Ordnungspolitisch sinnvoll und ausreichend hierzu ist der europäische Emmissionshandel. Jeder darüber hinausgehende Eingriff macht die Statik des Systems überbestimmt und führt zu suboptimalen Resultaten. Hierzu verweise ich auf einschlägige Literatur: Die Klimapolitik Katastrophe von Joachim Weimann [2] und Das grüne Paradoxon von Hans-Werner Sinn [3]. Mit der dem Kernenergieausstieg verweigert sich Deutschland zudem einer CO2-neutralen Stromerzeugung und deren Weiterentwicklung.
1. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – Genesis und Wirkungsweise
Um der Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse eine Chance zu geben, hatte der Bundesumweltminister Töpfer im Jahr 1990 ein Stromeinspeisegesetz entworfen, das per 1. Januar 1991 in Kraft trat und die konventionellen Energieversorger verpflichtete, alternativ erzeugten Strom abzunehmen und pro Kilowattstunde mit 75 – 90 % jenes Erlöses zu vergüten, den sie selbst im betreffenden Kalenderjahr pro Kilowattstunde aus dem Verkauf ihres eigenen Stromes nach einem bestimmten Messverfahren erzielt hatten.
Die seit 1998 – 2008 amtierende Rot-Grüne Koalition unter Bundesumweltminister Trittin machte aus dem Türöffner für den Netzzugang eine Gelddruckmaschine für Wind-, Biogas-, Wasserkraft- und Solaranlagenbetreiber (Tabelle 1). Das Gesetz erhielt den Namen Erneuerbare-Energien-Gesetz und versah die Lieferanten von Strom aus alternativen Quellen mit einer auf zwanzig Jahre geltenden Vergütungsgarantie ab dem Inbetriebnahmezeitpunkt, die sich bei Solarstrom zunächst auf eine DM/kWh belief
– zu einem Zeitpunkt, als der Herstellungspreis einer Kilowattstunde aus konventionellen Quellen etwa 5 Pfennige betrug.
Tab. 1: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 1. April 2000
Der Ausbaugrad mit EEG-privilegierten Stromerzeugern nahm nun rasant zu. Gleichzeitig zeigte sich die Wirkung der Volatilität von Wind- und Solarstromdargebot: Es kam zu Netzüberlastungen und es musste aus Gründen der Netzstabilität Strom abgewiesen werden. Die Konsequenz war eine Regulierung der hieraus erwachsenden Ertragsschäden. Diese geschah mit der EEG-Novelle von 2009 in der Ägide des Bundesumweltministers Gabriel und trat in der folgenden Legislaturperiode in Kraft.
Das EEG vom 1. Januar 2009
§ 12: Wird die Einspeisung von EEG-Strom wegen eines Netzengpasses reduziert, sind die von der Maßnahme betroffenen Betreiberinnen und Betreiber für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zu entschädigen. Übersteigen die entgangenen Einnahmen in einem Jahr ein Prozent der Jahreseinnahmen, sind die Betreiberinnen und Betreiber zu 100 Prozent zu entschädigen.
Betreiberinnen und Betreiber von EE-Anlagen sollen künftig spätestens am Vortag vom Netzbetreiber über den erwarteten Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer des Ein¬speisemanagements (Anm.: gemeint ist z.B. das Stoppen der Einspeisung in sein Netz ) informiert werden.
Damit war die völlige Risikobefreiung der EEG-Privilegierten erreicht. Wind- und Sonnenstrom wurden von nun an auch dann bezahlt, wenn sie gar nicht ins Netz eingespeist wurden.
Dieses Gesetz war der Abschied von den Prinzipien der Marktwirtschaft in Energiepolitik:
• Der Staat tritt als Vormund der Wirtschaft auf. Er überlässt die Wahl geeigneter Technologien nicht der Wirtschaft und der technischen Entwicklung sondern trifft selbst eine Vorauswahl. Für eine breit angelegte, außerhalb der staatlichen Privilegierungsschemata angelegte Forschung und Entwicklung gibt es keinen Anreiz mehr, wir erleben eine Engführung der Energieforschung. In der DDR war dies als das Rinderoffenstall-Problem aus der Rinderzucht bekannt.
• Die wesentliche marktwirtschaftliche Kategorie der Nachfrage als begrenzende Größe für das Angebot und damit die Produktion ist dauerhaft suspendiert. Nicht die Nachfrage nach Grünstrom bestimmt die Produktion von Windrädern oder Solarelementen, sondern die vom tatsächlichen Bedarf entkoppelte staatliche Abnahmegarantie. Als Konsequenz entsteht ein Zauberlehrling-Effekt: Das Grünstromdargebot wächst über alle Grenzen und muss in zunehmendem Maße
– nachdem es dem Erzeuger vergütet wurde – vom Netz abgewiesen oder unter dem Herstellungspreis verkauft werden. In der DDR ist als das Brotverfütterungsproblem in der Schweinezucht bekannt.
• Das unternehmerische Risiko des Investors ist suspendiert. Es wird auf die Stromkunden abgewälzt. Er allein übernimmt die vollständige Haftung für Fehlallokationen von Investitionskapital.
• Das Gesetz bestraft die ökologisch erwünschte sparsame Verwendung des Stromes durch Preisanstiege: Schränken die Stromkunden ihren Verbrauch um 50 Prozent ein so müssen die EVUs die Umlage auf die verbrauchten 50 % verdoppeln.
• Das Gesetz macht die Erzeuger wettbewerbsresistent und beraubt damit die technologische Entwicklung ihres wichtigsten Antriebs. Es initiiert massenweise Investitionen in Bekanntes.
• Das Gesetz ist faktisch kaum kassierbar. Es begründet marktfremde Besitzstände.
Die Eigentümer werden ihre Gewinne zur Verteidigung ihrer Einnahmequelle einsetzen. Erst die sozialen Folgen der massiven Umverteilung von unten nach oben durch dieses Gesetz werden Änderungen ermöglichen.
2. Die Kosten des EEG (allgemeiner Teil)
Um die Kosten zu ermitteln, die das EEG dem Stromkunden auferlegt, habe ich die jährlichen Veröffentlichungen der Netzbetreiber herangezogen [4]. Entlastend wurden die vermiedenen Netzentgelte, die dann wirksam wurden, wenn der Strom vom Erzeuger zum Verbraucher nicht das Übertragungsnetz passieren muss, von den Gesamtkosten abgezogen. Sodann wurde angenommen, dass die in jedem Jahr neu hinzugekommene Erzeugungsleistung von diesem Jahr an 20 Jahre lang anfällt d.h. die neuen Anlagen eine Nutzungsdauer von 20 Jahren haben, also die EEG-Privilegierung voll ausnutzen.
Abb. 1: Bereits fällige EEG-Kosten, Summe: etwa 400 Milliarden Euro (Zubau 2012 geschätzt)
Quelle: http://www.eeg-kwk.net/de/ EEG_Jahresabrechnungen.htm
Als Resultat ergibt sich (bei Schätzung eines Zuwachses von etwa 3,5 Mrd. in 2012 – für das die Zahlen noch nicht vorliegen) eine inzwischen durch das Gesetz garantierte Gesamtverbindlichkeit von 400 Milliarden Euro. Davon wurden in den Jahren bis 2013 etwa 90 Milliarden EUR abgegolten, für die Jahre bis 2032 werden weitere 310 Milliarden EUR fällig. Haftungsleistungen für unterbliebene Abnahmen – dazu später –, Refinanzierungsleistungen für den Leitungsbau und steigende Kosten für Regelenergieabfragen oder Importe dabei nicht enthalten, sie sind, sobald sie anfallen, hinzuzuaddieren.
In diversen Studien – wie z.B. auch eine neuere des DIW [5] – wird in der Regel darauf verwiesen, dass allerdings beim Vergleich der Kosten des EEG mit konventionellen Stromerzeugungstechnologien deren externe Kosten zu berücksichtigen seien, darunter fiktive Versicherungskosten für Atomunfälle u.ä. Diese werden dann aus willkürlichen Angaben zusammengetragen und addiert. Bei alternativen Technologien unterbleibenin der Regel derartige Überlegungen. Die Kosten der mangelnden Verfügbarkeit des Grünstroms bleiben generell unberücksichtigt. Ich halte derartige Vorgehensweisen für unseriös.
Abb. 2: Kosten für 100 % alternative Stromerzeugung bis 2050: 1,42 Billionen Euro
Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachen Jan. 2011 Wege zu 100 % erneuerbarer Stromerzeugung
Die genannte Studie will beweisen, dass der ausschließliche Einsatz von alternativen Stromerzeugungsformen wirtschaftlicher ist als Strom aus nuklearen und fossilen Energiequellen. Hierfür existiert aber schon eine Aussage des Sachverständigenrates für Umweltfragen [6].
Die vielfach kolportierte Aussage von Bundesminister Peter Altmaier, wonach die Kosten der Energiewende bei etwa einer Billion EUR liegen, wird also selbst dann von der Aussage des Sachverständigenrates noch übertroffen, wenn man davon ausgeht, dass es bei dem avisierten Ziel der Bundesregierung bleibt, wonach nicht die gesamte Stromerzeugung, sondern nur 80 % bis 2050 aus alternativen Quellen kommen sollen.
3. Die Kosten des EEG (spezieller Teil)
Die allgemein dargestellten Kosten des EEG-Stroms sagen jedoch noch nichts darüber aus, wie hoch konkret die Mehrkosten für den Verbraucher durch das EEG werden und auf welcher Weise sich diese ergeben. Dies soll nun an einer Fallstudie erläutert werden. Herangezogen wird hierzu die Einspeiseganglinie des EEG-Stroms im Monat Dezember 2012 (Abbildung 3) nebst Preisentwicklung (Abbildung 4).
Abb. 3: Gesamteinspeisung von Wind- und Solarstrom für Dezember 2012 in das deutsche Netz
Abb. 4: Gesamtumsatz: etwa 780 GWh (Tagesbedarf in Deutschland etwa 1.600 GWh)
Quelle: EEX Leipzig European Energy Exchange am Mittwoch 26.12.2012
Am 26. Dezember, dem 2. Weihnachtsfeiertag gab es eine gute Windstromausbeute, aber feiertagsbedingt nur eine geringe Abnahme des Stroms. Die Gesamtbilanz ergibt sich wie folgt:
• Kosten durch Einspeisevergütung an Erzeuger (nur Windstrom gerechnet):
• durchschnittliche Vergütung: etwa: 85.000 EUR/GWh
• Verlust aus Einspeisevergütung: etwa: 66 Mio. EUR
• Erlöse aus dem Stromverkauf an den Importeur:
• verkaufte Energiemenge: etwa: 780 GWh
• durchschnittlicher Verkaufspreis: etwa: – 45.000EUR/GWh
• Verlust aus negativen Strompreisen: etwa: 34 Mio. EUR
• Verluste für den Stromkunden an einem Tag: etwa:
100 Mio. EUR
Nun ist dieser Verlust am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht symptomatisch für das gesamte Jahr. Aber auch die Jahresrechnung liegt vor und die besagt (Tabelle 2):
Tab. 2: Gesamtverluste aus Stromexporten im Jahr 2012
Quelle: Sächs. Zeitung v. 3. April 2013
Dies ist ein Verlust von etwa 23 Millionen Euro pro Tag.
4. Zur Grundlastfähigkeit von Sonnen- und Windstrom
Aber leistet das EEG bei alledem wenigstens, was von ihm erwartet wird? Es sollte die Substitution von unerwünschten Stromquellen durch Grünstrom ermöglichen.
Tut es das?
Die Abbildung 5 zeigt die schon aus Abbildung 4 bekannte Einspeisungsganglinie in Deutschland für Wind (grüne Fläche) und Solarstrom (kleine gelbe Spitzen) im Monat Dezember 2012, einem relativ windreichen Monat. Darüber ist eine Kurve mit der dreifachen Ordinatengröße abgetragen. Sie soll die (hypothetische) Ausstattung Deutschlands mit der dreifachen Windverstomungskapazität gegenüber dem Status quo markieren. Das Resultat zeigt, dass dies zwar über große Abschnitte die verminderte Lastabgaben oder Abschaltungen bei den grundlastfähigen Stromerzeugern (Fläche türkis) und schließlich Netzentlastungen zu negativen Strompreisen (Fläche gelb) erzwingt, aber gleichwohl dem Netz noch immer auch Unterversorgungszeiten (violette Flächen) beschert, in denen die gesamte oder nahezu die gesamte Grundlast auf konventionellem Weg beschafft werden muss.
Abb. 5: Wind 12/2012 (real und bei hypothetischer dreifacher installierter Windstromleistung)
Die Offshore-Windenergie könnte hier die Rettung bringen. Hierzu gab es ehrgeizige Ausbauziele: bis 2013 sollten 3.000 MW Maximalleistung installiert oder im Bau sein. Zu erwarten sind beim gegenwärtigen Sachstand bis Ende 2013 maximal 305 MW, etwa 10 % des Planziels.
Folge: Enorme Einnahmeeinbußen der Investoren, ein heftiger Haftungsstreit, da einerseits der theoretisch lieferbare Strom mangels Umrichter-Plattformen und Zuleitungen nicht ins Netz abgegeben werden kann und mit der baldigen Fertigstellung der benötigten Einheiten nicht kurzfristig zu rechnen ist, jedoch andererseits der Kapitaldienst für die Investition zu erbringen ist. Am 29. 8. 2012 beschloss das Bundeskabinett gegen die Stimme von Bundesverbraucherschutz-ministerin Ilse Aigner, die Haftung für die entgangene Einspeisevergütung ab dem 11. Tag der Nichteinspeisung den Netzbetreibern aufzuerlegen, die diese dann auf die Stromkunden abwälzen können.
Aber wenn die Offshore-Windanlagen dermaleinst installiert und zur Zufriedenheit funktionieren: Werden sie dann den Grünstrom zum praktikablen Substitut der konventionellen Energieerzeugung machen? Abermals Nein. Weil die Stromausbeute proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit wächst und fällt, oszilliert der Offshore-Strom noch in viel kürzeren Perioden von null auf Maximalleistung, so dass sich ein nagelbrettartiges Ausbeuteprofil ergibt (Abbildung 6).
Lastganglinie beim Dreifachen der installierten Windstromleistung Zuschussbedarf zur Deckung der Grundlast durch konventionelle Erzeuger Unterbelastungszeiten der konventionellen Kraftwerke Überlaststrom (Verkauf zu negativen Preisen)
Abb. 6: Offshore-Wind: wirkliche Ganglinie versus gemeldete Leistung Quelle: http://de.scribd.com/doc/109406767/Das-Offshore-Chaos,Tennet,Darstellung: Rolf Schuster
Datenquelle: Transpower / TEnneT:Tatsächliche eingespeisste Leistung der Offshore-WE-Anlagen
Dena-Chef Kohler sah sich deshalb bezüglich Offshore-Windstrom zu der Aussage veranlasst, dass von der hohen installierten Leistung seien gerade einmal sechs Prozent wirklich verlässlich verfügbar seien.
Die Aussage "Grundlast ist Denken von gestern" scheint daher weniger mit belastbaren Prognosen als mit Pfeifen im Walde gemeinsam zu haben. Dies gilt nicht ganz für jene Stimmen, die sagen, auch auf das Speichern von Strom käme es hinfort nicht an. Als Ausdruck der Zuversicht sind sie freilich verfehlt. Die Aussagen sind richtig, wenn sie meinen, dass die zu speichernden Energievolumina – wollte man die Windspitzen speichern und in den Windsenken einspeisen – so gewaltig sind, dass sie für effektive Speicherarten wie Pumpspeicherwerke oder adiabate Druckluftspeicher abgesehen von den geologischen und geographischen Grenzen im ersteren Fall nicht darstellbare Investitionssummen erforderten, andere Speicherprinzipien aber im status nascenti verweilen oder im Kosten-Wirkungsgradverhältnis nicht viel besser sind, als den Strom wegzuwerfen.
Der Stromverbrauch in Deutschland liegt bei etwa 1,6 TWh pro Tag. Bei ausschließlich voll gefüllten oberen Becken liegt die maximale Abgabeleistung unserer Pumpeicherwerke über ganz Deutschland bei etwa 0,04 TWh. Das sind etwa 35 Minuten Blackout-Reserve. Das Vierzigfache an Pumpspeicherkapazität wäre etwa nötig, um einen Tagesenergiebedarf bei Ausfall des Grünstroms zu kompensieren. Dies ist im großtechnischen Maßstab bis auf Weiteres nicht möglich. Man wird also in diesem Fall entweder auf Importe zurückgreifen oder drastische Eingriffe bei den Stromkunden vornehmen müssen. Ersteres kann nur gelingen, wenn unsere europäischen Nachbarn dann unseren Bedarf zu decken imstande sind – was nur dann zuverlässig möglich ist, wenn sie – anders als Deutschland – ihre grundlastfähigen Stromerzeuger nicht abgeschaltet haben und genügend Überschüsse produzieren. Letzteres aber ist nur unter Inkaufnahme größerer wirtschaftlicher Schäden mit entsprechenden Haftungen denkbar. Will man beides vermeiden, so erfordert dies die Vorhaltung von Stromerzeugungskapazitäten aus konventionellen Energiequellen – das heißt: Aus Kernkraft oder fossilen Energieträgern. Da das Aufkommen an Wind-oder Solarstrom über Stunden und Tage ganz ausfallen kann, genügt zur Vorhaltung dieser Reservekapazität auch nicht ein kleiner Teil der jetzigen Grundlasterzeugungskapazität, sondern es muss die Fähigkeit zur Bereitstellung der vollen Grundlast stetig im stand-by-modus gehalten werden. Wenn für diesen Zweck keine Kernkraftwerke mehr zur Verfügung stehen, müssen diese Aufgabe andere fossil gefeuerte Kraftwerke (Gas oder Kohle) übernehmen, die zu diesem Zweck erforderlichenfalls neu zu errichten sind.
Mit steigendem Einspeiseanteil an EEG-Strom steigt jedoch nicht nur das Volumen der EEG-Vergütungen insgesamt an und erhöht den Strompreis. Mit der rückläufigen Nachfrage nach Strom aus fossilen Quellen bei der unbedingten Notwendigkeit seiner Vorhaltung müssen die fossilen Kraftwerke entweder mangels Wirtschaftlichkeit schließen oder ihre Preise um die stand-by-Betriebskosten des gesamten Jahres – ver¬teilt auf die im betreffenden Jahr angegebene Strommenge erhöhen – und dies gilt für den gesamten grundlastrelevanten Kraftwerkspark. Will man dies vermeiden, so bleibt nur dessen Verstaatlichung, womit die Mehrkosten statt auf den Stromkunden auf den Steuerzahler entfielen.
5. Zusammenfassung
Sind die energiepolitischen Ziele vernünftig und erreichbar?
Die energiepolitischen Ziele sind vernünftig. Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sind unverzichtbare Anforderungen an jede Energieversorgung. Ebenso muss eine Energieversorgung auch umweltschonend sein. Dies gilt insbesondere für die Schonung der natürlichen Ressourcen, denn eine Energieversorgung, die Ressourcen aufbraucht, die sich nicht in der gleichen Zeit regenerieren, ist stets limitiert. Daher ist es nötig, hierzu Alternativen zu erforschen und zu implementieren. Nur entsprechen die dafür vorge¬gebenen Zeithorizonte willkürlichen Annahmen, die keiner Machbarkeitsüberprüfung standhalten. Der aufgebaute Zeitdruck ist unvernünftig und führt zu unausgereiften Aktivitäten. Über den Ressourcenschutz hinaus ist jedoch der Begriff umweltschonend konkretisierungsbedürftig. Hier ist die praktische Politik an willkürlichen Parametern ausgerichtet. Der Atomausstieg und die Klimaschutzabsicht fallen nicht zwingend in die Rubrik umweltschonend – wohl aber die Anforderungen der Energieökonomie.
Bewirkt die implementierte Gesetzeslage eine den genannten Anforderungen entsprechende Energiebereitstellung?
Die implementierte Gesetzeslage steht der Erfüllung der energiepolitischen Ziele im Weg und macht das mittelfristige Scheitern der deutschen Energiepolitik unausweichlich.
Sie bewirkt eine unwirtschaftliche, unsichere und ökologisch unvertretbare Verschwendung von Ressourcen.
• Sie orientiert sich nicht an zweifelsfreien umweltpolitischen Zielen (wie Ressourcenschutz, Umweltökonomie, Wirkungsgradverbesserung, Minimierung des Energieeinsatzes), sondern an ideologisch vorgegebenen und damit fragwürdigen umweltpolitischen Zielen wie Klimaschutz und Atomausstieg.
• Sie hat den Markt eliminiert und ist politisch außer Kontrolle.
• Sie unterbindet die freie Erforschung nachhaltiger Strombereitstellungslösungen, indem sie eine Vorauslese vornimmt und mit ideologisch begründeten Tabus (Nu¬kleare Quellen) und Präferenzen (Wind und Solar) die Variationsbreite einschränkt.
• Sie führt zu einer massiven Kostensteigerung des Stromkonsums ohne zum Stromsparen anzuregen.
• Sie versucht grundlastfähige Verstromungstechnologien durch nicht grundlastfähige zu substituieren, was misslingen wird und
• den Betrieb zweier nahezu kompletten Stromerzeugungsparallelstrukturen erzwingt,
• die Kosten den aus der Reservehaltung von Grundlastfähigkeit ständig erhöht,
• sie erfordert ein Netzregime, das Deutschlands Netz inkompatibel und zu einem Fremdkörper im europäischen Verbund macht.
• Sie erzwingt eine sozial unerträgliche Umverteilung von Mitteln zu Lasten der allgemeinen Stromkunden und zu Gunsten der Alternativanlagenbesitzer
• Sie wird die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wegen der durch sie entstehenden singulär hohen Energiepreise und der gesteigerten Abhängigkeit vom Ausland massiv beeintächtigen
Gibt es Lösungen?
Die gibt es sicher. Aber für energiepolitisch vernünftige Entscheidungen gibt es leider in Deutschland bis auf Weiteres keine demokratischen Mehrheiten. Ein übermächtiger medial ausgeübter Konformitätsdruck hat die Energiedebatte in von einer wissenschaftlichen Debatte in eine moralisierende Debatte über gut und böse verwandelt. Dieser Zustand ist durch eine von öffentlicher Zustimmung abhängige demokratisch gewählte politische Führung kaum überwindbar, weil schon der Versuch, dies zu tun, im gegenwärtigen Meinungsklima mit hoher Wahrscheinlichkeit für jede politische Kraft, die dies wagt, den Entzug dieses Führungsauftrages nach sich zieht. Wirtschaft und Wissenschaft scheuen den Aufwand des Streites und arrangieren sich mit dem Status quo. Trotz möglicher parteiübergreifender Einsicht wird auch die eigentlich notwendige Außerkraftsetzung des EEG wird nicht gelingen. Stattdessen wird man mehr oder weniger umständliche Schadensbegrenzungen versuchen. Weitergehende Eingriffe werden an der Kraft zur Besitzstandsverteidigung der EEG-Privilegierten scheitern. Über wirkliche Auswege aus dem Dilemma der Energiepolitik wird man erst reden können, wenn die gegenwärtig gepflegten Illusionen begraben und die damit verbundene Umverteilung zu einem politischen Ärgernis geworden sind.
6. Quellen
[1] Vahrenholt, F.; Lüning, S.: Die kalte Sonne
[2] Weimann, J.: Die Klimapolitikkatastrophe – Deutschland im Dunkel der Energiesparlampe
[3] Sinn, H. W.: Das grüne Paradoxon – Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik
[4] http://www.eeg-kwk.net/de/EEG_Jahresabrechnungen.htm
[5] von Hirschhausen, C.; Kemfert, C.; Kunz, F.; Mendelevitch, R.: Studie: Europäische Stromer¬zeugung nach 2020: Beitrag erneuerbarer Energien nicht unterschätzen. Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Nr. 29.2013, 17. Juli 2013
[6] Sachverständigenrat für Umweltfragen: Wege zu 100 % erneuerbarer Stromerzeugung. Sonder¬gutachten, Jan. 2011
[7] Keil, G.: Das Offshore-Chaos. http://de.scribd.com/doc/109406767/Das-Offshore-Chaos
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2. entspricht der gesprochenen Version
Mit Dank an Herrn A. Vaatz für die Korrekturen und an Leser Dr. E. Franz für den Hinweis auf diese Rede.