Thorium auf dem Prüfstand, da Politiker neu über Kernkraft nachdenken
Bild rechts: Arbeiter installieren einen Brennstab in einen Testreaktor in Halden, Norwegen.
Nur zwei der 54 kommerziellen Kernkraftwerke sind in Japan nicht in Betrieb, während man in Deutschland die Kernkraft insgesamt aufgeben will. Der Preis für Uran ist ebenfalls abgestürzt, so dass sich der weitere Abbau nicht mehr rechnet. Aber im Hintergrund arbeiten Wissenschaftler an einer saubereren, billigeren und sichereren Alternative zu Uran. Diese ist sogar nach einem Gott benannt.
Thorium ist in der Erdkruste stärker vertreten als Zinn, Quecksilber und Silber – und dreimal so ergiebig wie Uran. Tatsächlich weist Thorium, benannt nach Thor, dem norwegischen Gott des Donners, eine so große Energiedichte auf, dass eine Person den Grundstoff für die lebenslange Stromversorgung in einer Hand halten kann.
Etwa 14 Prozent des Stromes in der Welt wird gegenwärtig durch Kernkraft erzeugt; in Frankreich liegt die Zahl näher bei 75 Prozent. Aber mit der Unsicherheit über die Uran-Preise, dem Erreichen von Emissionszielen und Sicherheitsbedenken nach Fukushima sind Politiker und Industrie gezwungen, neu über das Thema Kernkraft nachzudenken.
Dann gibt es noch das Thema Kernkraft-Ausbreitung. In traditionellen Leichtwasserreaktoren wird als Nebenprodukt nuklearer Reaktionen von Uran 235/238 Plutonium 239 erzeugt. Mit diesem radioaktiven Isotop lassen sich Kernwaffen bauen. Allerdings wird weniger langlebiger Abfall erzeugt, wenn Thorium anstatt Uran als Anstoß für Spaltreaktionen verwendet wird, was die Sicherheitsaspekte von Kernkraftwerken reduziert.
Thorium ist keine neue Entdeckung. UK hat schon Ende der sechziger Jahre den Weg vorgezeichnet mit Tests im Dragon Reactor in Winfrith, Dorset.
Thorium hat ein gewaltiges Energiepotential, ist aber in technischer Hinsicht ergiebig [fertile], nicht spaltbar. Das bedeutet, dass man es in Uran 233 konvertieren muss, eine andere Variante dieses Elements, bevor man es zur Stromerzeugung nutzen kann. Allerdings bedeutete das Fehlen der notwendigen freien Elektronen, um diese Reaktion zu starten, dass Thorium als praktischer nuklearer Brennstoff erst einmal beiseite geschoben worden ist und man Uran als Grundstoff für Reaktoren verwendet hat.
Heutzutage ist es lediglich ein Nebenprodukt des Bergbaus nach „Seltenen Erden“. 3200 Tonnen davon sind derzeit in der Wüste von Nevada vergraben.
Aber die Länder werden jetzt auf die Vorteile von Thorium aufmerksam, und erneut wird es einem Test unterzogen, und zwar in Halden, einer kleinen norwegischen Stadt mit weniger als 30000 Einwohnern [siehe Bild oben rechts!]. Das Unternehmen Thor Energy testet Thorium für den kommerziellen Gebrauch, und zwar mit Unterstützung von UK, den USA und Deutschland [!]. Das Unternehmen installierte seine ersten Brennstäbe in einen Testreaktor im April als ein auf fünf Jahre angelegtes Programm, mit dem dem Rest der Welt gezeigt werden soll, was das Unternehmen schon weiß: Thorium ist vielseitig, sicher und effizienter als Uran.
„Die thermische Leitfähigkeit von Thorium-Pellets ist bekanntermaßen viel besser als von Uran“, sagt Direktor Øystein Asphjell. „Wir beweisen jetzt, dass das wirklich so ist“.
Mr. Asphjell glaubt an etwas, das er eine „evolutionäre“ Annäherung an Thorium nennt – wenn das Material in bestehenden Leichtwasserreaktoren zur Stromerzeugung genutzt wird.
Zusammen mit dem National Nuclear Laboratory [NNL] in UK entwickelt das Unternehmen eine Reihe von Thorium-Brennstoff-Pellets. Einige davon sollen alten nuklearen Abfall unschädlich machen, andere sollen Uran und Thorium zu einem stabileren Treibstoff machen. „Thorium hat viel weniger Unfall-Potential als Uran, weil es einen viel höheren Schmelzpunkt hat, weil es nicht in Wasser löslich ist und weil es viele Sicherheits-Parameter gibt, die in den Eigenschaften des Materials inhärent sind“, sagt Mr. Asphjell.
Politiker merken ebenfalls auf. Michael Fallon, Minister für [business and enterprise], hat sich mit einer Parlamentsgruppe getroffen, um zum ersten Mal das Thema Energie aus Thorium und seine Vorteile zu besprechen.
Kevin Hesketh, leitendes Forschungsmitglied an der NNL sagt, dass nach jahrelanger Zurückweisung der Kernforschung seitens der Regierung diese jetzt die Forschung zu Kernkraft ernster nimmt. Und er glaubt, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre ein Thorium-Brennstoffkreislauf in UK etabliert werden kann.
„Wir sprechen mittlerweile routinemäßig diese Dinge mit der Regierung. An einem Punkt haben wir kein Interesse an der Kernforschung bekommen. Man hatte erkannt, dass man einige ziemlich drastische Änderungen vornehmen muss, wenn man eine Reduktion von Kohlenstoffemissionen um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 erreichen will“.
[Original: „We’re discussing things with [the Government] routinely now. At one point we weren’t getting any interest in nuclear research. They recognise that if you want to achieve an 80pc reduction in carbon emissions by 2050, it’s going to require some pretty drastic changes.” Entweder habe ich da etwas nicht verstanden, oder der Satz ist ein Widerspruch in sich. A. d. Übers.]
Thorium-„Revolutionäre” argumentieren, dass die Vorteile sogar noch größer sein könnten, wenn man es in Flüssigsalzreaktoren verwendet, die als Ökoreiniger fungieren können, indem sie alten giftigen Abfall verbrennen. Radioaktive Spaltprodukte können dem Reaktor für einen erfolgreichen Kreislauf auch erneut zugeführt werden, was die Energieerzeugung billiger macht.
Einige argumentieren sogar, dass diese Reaktoren die Wasserstoff-Explosionen in Japan hätten vermeiden können. Im Falle eines Stromausfalls schmilzt ein Ventil an der Basis des Reaktors, und das Salz fließt in einen Tank zum Abkühlen. Dies beendet die Reaktion und jede Freisetzung von Strahlung.
Aber in einem Industriezweig, in dem es Milliarden Pfund – nicht Millionen – kostet, um Forschungen durchzuführen, ist Mr. Hesketh zufolge UK eher ein Mitläufer als ein Führer, wenn es um Thorium geht.
China hat im Jahre 2011 350 Millionen Dollar für ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm (R&D) für Flüssigsalzreaktoren ausgegeben und plant, kommerziell erfolgreiche Kraftwerke in den dreißiger Jahren zu bauen, während Indien, das über etwa 16 Prozent der Welt-Thoriumreserven verfügt, hofft, bis zum Jahr 2020 vier neue Schnellen Brüter zu bauen.
Trotz aller Begeisterung bedeuten die Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Kernkraft-Entwicklung weiterhin, dass es nur in kleinen Schritten vorangeht. Die Forschung braucht Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, und das Wort „nuklear“ ist immer noch stark emotional belastet. Vor einigen Wochen gab es im Parlament von Taiwan eine Schlägerei, nachdem eine Debatte über den Abschluss des Baus seines vierten Kernkraftwerkes eskaliert war.
Aber für Länder wie Japan muss eine Lösung der Energiefrage gefunden werden, und zwar schnell. Die Handelsbilanz dieser Woche zeigte, dass sich durch die Abhängigkeit des Landes von Flüssiggas und Petroleum nach Fukushima das Handelsdefizit im Juli mehr als verdoppelt hat auf 6,7 Milliarden Pfund.
Takashi Kamei ist Präsident von Kyoto Neutronics, wo man einen Neutronen-Beschleuniger entwickelt, um Thorium für die Verwendung in einem Reaktor aufzubereiten. Einen Monat nach Fukushima war Mr. Kamei in das japanische Wirtschaftsministerium zitiert worden, um die Vorteile eines Flüssigsalzreaktors zu erklären und wie diese Technik den japanischen Energiebedarf betreffen könnte. Mit dem Versprechen von Premierminister Shinzo Abe in diesem Monat, „effektive Maßnahmen zu ergreifen, um das Problem in Angriff zu nehmen“ (hier), ist die Regierung stärker in die Energiedebatte involviert denn je.
„Ich glaube, dass sie meine Sicht der Dinge bereits an Mr. Abe weitergegeben haben“, sagt Mr. Kamei, obwohl er weiß, dass das Projekt in einem Land, das sich immer noch von der Katastrophe im Jahr 2011 erholt, delikat bleibt. „Wenn der Premierminister sagt, dass Japan Flüssigsalzreaktoren entwickelt und dass das ziemlich sicher ist – impliziert dies, dass bestehende kommerzielle Kraftwerke gefährlich sind“.
Mr. Asphjell stimmt dem zu. „Diese Industrie wird so stark von der politischen und öffentlichen Meinung getrieben, dass man – wenn man sagt, wir müssen Thorium einführen – implizit sagt, dass mit Uran etwas nicht stimmt. Die bestehende Industrie möchte nicht die Botschaft aussenden, dass etwas mit Uran nicht stimmt. Wenn man 15 bis 20 Jahre zurückgeht, als es um den Streit zwischen Benzin- und Elektroautos gegangen war – wollte auch niemand sagen, dass es etwas Besseres gebe, weil der Markt für das bestehende Produkt zusammenbrechen könnte“.
Die größten Feinde des Thoriums sind oftmals die eigenen Befürworter, fügt Mr. Asphjell hinzu. „Es gab viele laute Stimmen in UK, die gegenüber Thorium eine evangelistische Perspektive eingenommen haben – dass es ein grüner Treibstoff ist, der jedes Problem lösen kann, dass es bereits ab morgen verwendet werden kann und dass es keinen Abfall und kein Risiko gibt. Diese evangelistische Sichtweise mindert die klare Botschaft von Thorium in vielfacher Weise und ist aus unserer Perspektive das größte Hindernis für die Einführung von Thorium“.
Mr. Hesketh sieht auch, welchen Wert verstärkte Thorium-Forschung in UK hat, räumt aber ein, dass die „Marktkräfte“ das vorantreiben werden. „Derzeit ist die Unterstützung, die man zum Erreichen des Gipfels braucht, einfach nicht da“, sagt er. „Man hat keine Sicherheit hinsichtlich der finanziellen Unterstützung, das kann erst in einem späteren Stadium kommen. Aber wenn man sich an die Basis begibt (d. h. Forschung betreibt), ist man später in einer viel besseren Position“.
Für jetzt muss die Welt hinsichtlich der Entwicklungen von Thorium nach Osten schauen, obwohl Mr. Asphjell guter Hoffnung ist, dass ‚langsam und stetig’ das Rennen gewinnen wird, trotz der Größe der Aufgabe. Er besteht darauf: „das ist ein Elefant, den wir zu essen versuchen. Wir können nur einen Happen auf einmal kauen“.
Link: http://www.telegraph.co.uk/finance/newsbysector/energy/10255442/Thorium-put-to-the-test-as-policymakers-rethink-nuclear.html
Übersetzt von Chris Frey EIKE