Polens Schieferpolitik wird Europa transformieren – wenn das Land bei der Stange bleibt
Falls sich Amerikas Experten nicht einig werden können, ist es keine Überraschung, dass Polen zum Wunschdenken-Kriegsschauplatz der europäischen Fracking-Kriege geworden ist, wobei jede Seite in der Lage ist, sich die passenden Dinge herauszupicken und jede gewünschte hyperbolische Bemerkung zu machen.
„Wir haben keine Ahnung, wie viel Schiefergas wir wirklich haben. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden, nämlich das Bohren von Löchern“, sagt Pawel Poprawka, Autor eines Grundlagenberichtes von Polens eigenem geologischen Institut.
Die geostrategische Bedeutung ist hoch. Falls Polen – inzwischen mit Unterstützung von UK und Rumänien – sein Schiefer-Gambit überwinden kann, wird die Bewegung in einer ganzen Reihe von anderen Ländern fast nicht mehr aufzuhalten sein. „Wir glauben, dass der Gaspreis von derzeit 11 Dollar (pro Million metrischer britischer Thermal-Einheiten[?]) auf etwa 6,50 Dollar sinken wird, und das wird einen riesigen Unterschied bedeuten, weil hohe Gaspreise Europa abwürgen“, sagte Oisin Fanning, Chef des Bohrunternehmens San Leon Energy, welches das „Baltische Becken“ nahe Danzig erkundet.
Es würde das Damoklesschwert einer Katastrophe von der chemischen, der Plastik- und Stahlindustrie nehmen, die derzeit viermal so viel für Gas bezahlen wie ihre US-Konkurrenten und gezwungen sind, für ihr Überleben neue Werke in Amerika zu bauen. Es würde das Ende bedeuten für das Kreml-„Geschäftsmodell“. Das russische sanfte Imperium würde sich auflösen.
Gazprom hat aus seinem Krieg gegen Schiefergas nie einen Hehl gemacht und betreibt in Brüssel wilde Lobbyarbeit für eine EU-weite Gesetzgebung zum Verbannen von Fracking. Der polnische Geheimdienst ABW warnte in einem öffentlichen Bericht im vorigen Jahr, dass russische Spione in umfassenden Spionage-Operationen engagiert sind, die auf Polens Schiefer-Projekte zielen.
Der polnische Premierminister Donald Tusk wiederum macht kein Geheimnis daraus, dass er Fracking als ein vielversprechendes Mittel ansieht, Gazprom zu großen Preisnachlässen zu zwingen, wenn der Liefervertrag im Jahre 2019 neu ausgehandelt werden muss.
„Nach Jahren der Abhängigkeit von unserem großen Nachbarn wird meine Generation den Tag noch erleben, wenn wir hinsichtlich Erdgas unabhängig sein und die Bedingungen diktieren werden”, sagte er. Diese Ansicht teilt fast die gesamte polnische Nation. Einer EU-Erhebung zufolge sind in Polen 3 Prozent der Menschen gegen Fracking, verglichen mit 60 Prozent in UK und fast 90% in Frankreich.
Polen importiert derzeit zwei Drittel seines Gases aus Russland zu einem Preis von 500 Dollar pro 1000 Kubikmeter, 45 Cent über dem Marktpreis, ein Niveau, von dem Mr. Tusk sagt, dass es „total unakzeptabel“ ist. Dieser Anteil wird nächstes Jahr fallen, wenn erst einmal Polens Terminal für Flüssiggas (LNG) geöffnet wird, obwohl LNG nicht billiger ist. Die Attraktivität von Schiefergas ist offensichtlich, aber kann Polen tatsächlich seiner Rhetorik Inhalte verleihen?
„Es gab bislang eine ganze Reihe sehr unergiebiger Bohrungen”, sagt Mr. Poprawa, jetzt am Energy Studies Institute in Warschau. „Das muss man zugeben, aber zum größten Teil beruht dies auf fehlender Erfahrung bei PGNiG, (dem führenden polnischen Gasunternehmen) und nicht auf der Geologie. Wir brauchen mindestens 100 Querbohrungen, bevor wir zu irgendeiner Entscheidung kommen können. Bislang waren es aber erst sechs“.
Polen muss nicht das nächste Norwegen sein – das Wunschdenken von Außenminister Radek Sikorski – und dessen Scheitern, ein legales, zielgerichtetes System zu etablieren, bedeutet einen drohenden Exodus von ausländischen Erkundern. Aber Anti-Fracker waren auch zu schnell mit dem Schreiben der Grabesschrift für Polens Schiefer-Intentionen.
„Wir haben bereits 12 bis 18 Billionen Kubikfuß abbaubares Gas in unserem Block nachgewiesen. Wir sind erfreut“, sagte Mr. Fanning von San Leon. Das allein wären zwei Jahre polnischer Importe. Der weithin gemeldete Rückzug von Exxon Mobile war in Wirklichkeit lediglich eine Verlagerung vom Baltischen Becken nach Süden, eine ganz andere Story. „Niemand zieht sich aus dem Baltischen Becken zurück“, sagte er.
Mr. Fanning sagte, dass es ein „Trugschluss” sei, dass polnisches Schiefergas ungewöhnlich schwierig zu extrahieren ist. „Die Felsen liegen 2500 bis 4000 Meter tief, was nicht sehr viel anders ist als in den USA. Selbst wenn sie noch tiefer lägen, dann wäre der Druck höher und man würde mehr Gas bekommen. Das balanciert sich aus.
„Der in Polen fehlende Katalysator ist einfach die schiere Intensität der Bohrungen. Man braucht 60 Bohrlöcher in jedem Gebiet, um das richtige ‚Rezept‘ zu finden, und solange man nicht mit Fracken beginnt, rät man nur. Bislang gab es in unserem Land lediglich drei oder vier horizontale Frackings“.
Die Behörden haben es sich nicht einfach gemacht. „Alles ging viel zu langsam. Die höheren Ebenen der Regierung sind überzeugt, aber wenn man auf untere Ebenen geht, bleibt man in der alten kommunistischen Bürokratie stecken. Es hat ein Jahr gedauert, bis die Genehmigung vorlag, noch tiefer zu bohren, also mussten wir aufhören und warten. Das war sehr irritierend, aber inzwischen hat sich das geklärt“.
Exxon gibt nach dem Erbohren von zwei trockenen Löchern auf und führt als Grund das Fehlen kommerzieller Aussichten an. Die Entschuldigung sieht jedoch sehr nach einem Vorwand aus. „Die Entscheidung von Exxon hat nichts mit Geologie zu tun. Es ist unmöglich, mit nur zwei Bohrlöchern zu einem abschließenden Urteil zu kommen“, sagte Professor Stanislav Nagy von der University of Science and Technologie in Krakau.
In Wirklichkeit hat Exxon einen viel dickeren Fisch an der Angel. Es hat einer Beteiligung an Schiefer mit dem russischen Unternehmen Rosneft zugestimmt, das ihm Zugang zu den riesigen Vorräten in der Arktis verschafft, die vom Kreml als ein mögliches 500 Milliarden-Projekt eingeschätzt wird. Dieser den Mund wässrig machende Preis ist augenscheinlich ein russisches Wucherpfand.
Aber der US-Erkunder Marathon hat sich ebenfalls zurückgezogen, und weitere könnten folgen, solange Polen seine Gesetzgebung bzgl. des Bohrens nicht korrigiert. „Die Regierung hat unsere Sorgen nicht zur Kenntnis genommen. Wir sind nicht zufrieden“, sagte Marcin Zieba von der polnischen Öl-Lobby OPPPW. „Wir hoffen weiter, dass das Gesetz im Parlament geändert wird. Ist das nicht der Fall, könnten die Investoren einfach verschwinden“.
Der Entwurf steckt voller Schrecken, geschrieben von Bürokraten, die glauben, dass man Fracking regulieren könnte wie normale Gasfelder. Erkunder müssen bürokratische Fristen einhalten. Steuerraten springen hin und her, meistens aber aufwärts. Es gibt keine Garantie, dass die Bohrunternehmen Konzessionen erhalten, wenn sie erst einmal auf Gas gestoßen sind. Der Entwurf ruft nach einem nationalen Betreiber (NOKE), der sich um jedes Projekt kümmern soll und auch eingreifen kann.
Bartosz Wiśniewsk vom Polish Institute of Foreign Affairs sagte, dass dieser Plan auf dem norwegischen Regulierer in den siebziger Jahren basiert, was vor dem Fracking-Zeitalter liegt. „Die Norweger waren in der Lage, Bedingungen zu diktieren, weil es eine Ölkrise gab, und sie verstaatlichten alle Konzessionen. Die Unternehmen wollen diese Art Risiko in Polen nicht übernehmen. Darum ziehen sie sich zurück“.
Im Entwurf fehlt die Erkenntnis, dass Erkundung und Ausbeutung ein nahtloser Übergang zum Schiefer-Fracking sind. Die Macht zwischen den Regulierern ist geteilt. „Die Leute im Umweltministerium vertrauen der Industrie nicht. Wir haben ein vollständiges Durcheinander. Aber sie werden ihren Weg finden, und darum gibt es immer noch Hoffnung“, sagte Mr. Propawa.
Außenstehende können irritiert zuschauen und sich fragen, warum eine gewählte Regierung, die von Schiefer überzeugt ist und Rückhalt in der Bevölkerung hat, ihre Bürokraten nicht dazu bringen kann, einen kohärenten Text zustande zu bringen. Man vermutet, dass die polnische Demokratie am Ende siegen wird. Falls das so sein sollte, gibt es gute Aussichten, dass Polen in den frühen zwanziger Jahren die kontinentale Fracking-Macht ist mit enormen Konsequenzen.
Ambrose Evans-Pritchard in Krakau
Link: http://www.telegraph.co.uk/finance/comment/ambroseevans_pritchard/10257988/Polands-shale-drive-will-transform-Europe-if-it-does-not-drop-the-ball.html
Übersetzt von Chris Frey EIKE
Anmerkung des Übersetzers: Dieser Artikel ist aus amerikanischer Sicht geschrieben und zeigt, dass man dort sehr genau auf Europa schaut.