Der Dual Fluid Reaktor – ein neues Konzept für einen Kernreaktor

Das IFK ist ein unabhängiges Forschungsinstitut, das momentan weder private noch öffentliche Unterstützung erhält. Die Mitglieder des IFK engagieren sich aus Leidenschaft unentgeltlich für das DFR-Projekt. Der Dual Fluid Reaktor (und hier) wird vom IFK nicht als Forschungsprojekt verstanden, denn er lässt sich mit heute verfügbaren Techniken bauen. Im Gegensatz zu allen anderen neuen Reaktorkonzepten insbesondere der Generation IV liegt für den DFR auch eine wirtschaftliche Abschätzung vor. Es ergeben sich Overnight-Herstellungskosten von weniger als 0,6 cent/kWh für Strom sowie 20-40 cent pro Liter benzinäquivalenten Kraftstoffs. Der Umstellungsaufwand heutiger Fahrzeuge wäre mit dem auf Autogas vergleichbar.
Der folgende Beitrag ist eine Beschreibung des Konzepts durch das IFK. Weitere Informationen finden Sie auf der DFR-Einstiegsseite dual-fluid-reaktor.de (seit heute mit weiteren Details aktualisiert) sowie auf der DFR-Seite des IFK (mit mehr englischsprachigen Fachinformationen). Hilfreich sind auch Diskussionen in Foren, z.B. im englischsprachigen energyfromthorium.com, auf dem deutschsprachigen Blog Skeptical Science, sowie in der ebenfalls deutschsprachigen Patentschrift.

Beschreibung des Dual Fluid Reaktors

Institut für Festkörper-Kernphysik, Berlin
Schon in den 1960er Jahren lief am Oak Ridge National Laboratory das „Molten Salt Reactor (MSR) Experiment”, MSRE. Es wurde erfolgreich abgeschlossen, musste aber der Entwicklung von metallgekühlten Reaktoren weichen. Letztere wurden zwar dann in den USA auch nicht umgesetzt, aber die Entwicklung von Flüssigsalzreaktoren kam dadurch zum Erliegen. In letzter Zeit ist das MSRE-Konzept wiederentdeckt worden, wie z.B. im WAMSR von Transatomic Power, und im MSR-Konzept der Generation IV, allerdings sind hier bis auf den Übergang zu Schnellspaltreaktoren keine grundsätzlich neuen Entwicklungen zu verzeichnen. Dies gilt auch für das beschleunigergetriebene System GEM*STAR der amerikanischen ADNA Corporation.
Beim MSRE wurde das Hauptaugenmerk auf einen flüssigen homogenen Reaktorkern gelegt, ohne dass die dadurch entstehenden Nachteile Beachtung fanden. Das Flüssigsalz sollte gleichzeitig die Wärme abführen. Dies sah zunächst nach einer Vereinfachung aus, führte aber zur weitgehenden Aufhebung der Vorteile von Flüssigsalzen, welche nun extrem schnell zirkulieren mussten, um die Nutzwärme abführen zu können. Und damit nicht genug, der eigentliche Brennstoff musste extrem verdünnt werden, um nicht zu viel Wärme zu produzieren. Durch die schnelle Zirkulation konnte das Flüssigsalz nicht bei laufendem Reaktor aufgearbeitet werden. Außerdem war durch die Verdünnung die Aufarbeitung sehr aufwendig und die Leistungsdichte stark beschränkt, was den Konstruktionsaufwand erheblich vergrößerte und die energetische und damit wirtschaftliche Effizienz stark reduzierte. Dies hat sich in den neueren MSR-Konzepten grundsätzlich nicht verbessert.
Im Konzept des Dual Fluid Reaktors, DFR, wird dieses Manko nun korrigiert, indem die beiden Funktionen Brennstoff und Wärmeabfuhr getrennt werden. Auch wenn dies zunächst ein Verkomplizieren darstellt, ergeben sich daraus erhebliche Vereinfachungen an anderen Stellen sowie Synergien, die zu einer enormen Effizienzsteigerung führen. Durch den Wegfall der Doppelfunktion des Salzes konnten wir uns bei der Entwicklung des DFR-Konzepts ganz auf die Ausnutzung der Vorteile einer Online-Aufbereitung eines unverdünnten Brennstoffflüssigkeit einerseits sowie einer effektiven Wärmeabfuhr andererseits konzentrieren. Für letzteres eignen sich besonders Flüssigmetalle.
Die Verwendung von salzförmigen Spaltmaterialien als Brennstoff ist übrigens nicht zentraler Bestandteil des DFR-Patents, entscheidend ist vielmehr, dass im Reaktorkern allgemein zwei Flüssigkeiten laufen, wovon eine den Brennstoff bereitstellt und die andere die Nutzwärme abführt (Kühlmittel). Insofern ist der DFR nicht automatisch ein Flüssigsalzreaktor, im Gegenteil, eine Brennstoffzufuhr in Form von Flüssigmetallen würde die Effizienz nochmals erheblich steigern und an die Grenze des Potentials der Kernspaltung führen.
Bei der Spaltung eines Atomkerns wird 100 Millionen mal so viel Energie freigesetzt wie bei der Verbrennung eines Kohlenstoffatoms. In Anbetracht dieses Verhältnisses ist es erschreckend, dass heutige Nukleartechnik nur 3-4 mal so effektiv Strom erzeugt wie Kohle- und Gaskraftwerke. Natürlich ist für die Nutzung eines Energieträgers mit derartig hoher Dichte auch ein höherer Aufwand erforderlich, auch ist der Förderaufwand von Uran und Thorium größer als der von Kohle, Gas und Öl. Die eigentliche Ursache dieses extremen Missverhältnisses liegt jedoch im militärischen Ursprung der Kerntechnik, der zu mehreren Fehlentwicklungen geführt hat, allem voran die Verwendung fester Brennelemente. Für das Militär steht eben die Wirtschaftlichkeit nicht im Vordergrund, sondern die Effektivität im Kriegseinsatz.
Als erster Entwicklungsschritt des DFR, insbesondere in Hinsicht auf die Online-Aufbereitung, ist die Verwendung von Flüssigsalzen jedoch zunächst die bevorzugte Variante. Dadurch vereinfacht sich der Entwicklungsafwand, und ein kommerzielles Kraftwerk kann früher realisiert werden.
Zur Wärmeabfuhr eignet sich Blei besonders gut. Es wird kaum durch den hohen Neutronenfluss aktiviert und kann ohne Zwischenkreislauf direkt in den konventionellen Teil geleitet werden, wo sich der Wärmetauscher befindet. Die Arbeitstemperatur beträgt 1000 °C, was eine effektive Stromproduktion ermöglicht. Bei diesen Temperaturen öffnet sich auch die gesamte Kette der Prozesschemie, da nun die wettbewerbsfähige Produktion von Wasserstoff möglich wird. Damit können auch sehr kostengünstig synthetische Kraftstoffe als Benzinersatz hergestellt werden.
Die Aufbereitung findet im Containment des Reaktors im automatischen Betrieb statt. Bevorzugt sind hier Methoden der fraktionierten Destillation und Rektifikation, wie sie in der Großindustrie täglich zum Einsatz kommen. Für das Flüssigsalz des DFRs genügt allerdings eine Kleinanlage, die „Pyrochemical Processing Unit”, PPU, die direkt in den Kreislauf des Flüssigsalzes mit dem Reaktorkern verbunden ist. Dort erfolgt die Auftrennung nach Siedepunkten, was sehr hoher Temperaturen (bis zu 2000 °C) bedarf, wobei die Restzerfallswärme der hochradioaktiven Spaltprodukte hierbei sogar unterstützend wirkt.
Materialien, die den Bedingungen im Reaktorkern (Blei, Salz, 1000 °C, Neutronenfluss) standhalten können, sind seit Jahrzehnten bekannt. Dazu gehören insbesondere Legierungen aus der erweiterten Gruppe der Refraktärmetalle. Diese überaus widerstandsfähigen Legierungen konnten in der Vergangenheit nicht hinreichend verarbeitet werden, mittlerweile ist die Fertigungstechnik jedoch so weit vorangeschritten, dass derartige Legierungen in allen Bereichen der Industrie immer mehr Anwendungen finden. Als weitere Option kommen neue Keramiken als Beschichtungen oder in Form neuartiger faserverstärkter Komposit-Werkstücke hinzu. Mikrokristalline Schäden durch den hohen Neutronenfluss sowie thermischer Stress werden bei der hohen Temperatur automatisch ausgeheilt (Ausglüheffekt). In der PPU gibt es sogar noch weniger Einschränkungen, da Neutronenversprödung und Wärmeleitung hier keine Rolle mehr spielen.

Gute Neutronenökonomie und ihre Folgen

Im DFR behalten die Neutronen wegen der vielen massereichen Atomkerne (Aktinide und Blei) ihre hohe Energie. Blei selbst absorbiert ohnehin wenig Neutronen, und die Neutronenverluste in den Strukturmaterialien sind bei diesen Energien sehr gering. Auf der anderen Seite werden durch die schnellen Neutronen aber besonders viele davon nachgebildet, nämlich durchschnittlich 3 oder mehr pro Spaltvorgang. Bei fast allen Reaktoren ist das weniger, bei Leichtwasserreaktoren deutlich weniger. Diese Neutronen werden nun unterschiedlich "verbraucht".
Eines der 3 Neutronen wird gebraucht, um die nukleare Kettenreaktion aufrecht zu erhalten, ein weiteres, um den eigenen Spaltstoff nachzubrüten. Da die Verluste gering sind (weniger als 0,5 Neutronen durch unerwünschte Einfänge), bleiben noch mindestens 0,5 Neutronen pro Spaltung für andere Anwendungen übrig, mehr als bei allen anderen Reaktoren. Mit diesem hohen Überschuss kann man nun in erheblich kürzeren Zeiträumen als bei anderen "schnellen Brütern" z.B. Plutonium (hier nicht waffenfähig) erbrüten und damit zügig die nächste Generation von Reaktoren installieren. Auch der Thorium-Uran-Prozess mit seiner kernphysikalisch bedingt niedrigeren Neutronenausbeute ist aufgrund der sehr guten Neutronenökonomie des DFR im Vergleich zu anderen Schnellspaltreaktoren besonders gut handhabbar. Alternativ können auch sehr effektiv problematische langlebige Spaltprodukte z.B. aus heutigen Reaktoren transmutiert und damit abgebaut werden. Sehr effizient ist aber auch die Bildung erwünschter Radioisotope, etwa für die Medizin. Die PPU erfüllt hier eine wichtige Aufgabe, die ständige chemische Trennung von Stoffen untereinander und vom Brennstoff, was auch die Minimierung von "Neutronenfängern", sogenannten Neutronengiften und damit auch die Neutronenverluste reduziert.
Letzteres ist übrigens auch für die Leistungsregelung des DFR sehr günstig. Durch den permanent immer sehr "sauberen" Reaktorkern muss man keine überschüssigen Spaltstoffe einbringen, die über ein kompliziertes Regelsystem (Steuerstäbe) während ihres Abbrandes ausgeglichen werden müssten, wie etwa in heute gängigen Leichtwasserreaktoren. Dies begünstigt auch einen sogenannten "unterkritischen" Betrieb, bei dem fehlende Neutronen durch ein Beschleunigersystem nachgeliefert werden ("Accelerator Driven Subcritical System", ADS). Je näher man sich stabil der Kritikalität nähern kann, desto kleiner darf der Beschleuniger sein. Beim DFR könnte der Beschleuniger nun auf eine Länge von wenigen Metern reduziert werden, im Vergleich z.B. mit dem belgischen ADS-Projekt "MYRRHA", welches einen mehrere 100 Meter langen Beschleuniger benötigt.
Zudem reagiert ein flüssiger Reaktorkern auf eine Temperaturerhöhung sehr schnell mit Ausdehnungen, genauso auch das Blei, was diesen außen umgibt. Die Abstände der Atomkerne werden bei Temperaturerhöhung größer, wodurch gleich zwei Wahrscheinlichkeiten sinken, zum einen dass ein Neutron im Flüssigsalz eine Spaltung induziert, zum anderen dass es am Blei reflektiert wird. Somit fällt die Leistung mit einer Temperaturzunahme sehr schnell ab. Dieser negative "Temperaturkoeffizient" ist durch das Dual-Fluid-Prinzip so stark ausgeprägt, dass bereits innerhalb eines Temperaturanstiegs von wenigen 10 Kelvin die Leistung eingestellt werden kann. Die Spaltrate folgt somit zügig der Leistungsentnahme, welche wiederum durch die Geschwindigkeit der Bleizirkulation eingestellt werden kann. Da dieser Mechanismus ohne technisches Eingreifen aufgrund physikalischer Gesetze immer funktioniert, kann der Reaktor auch nicht durch einen unkontrollierten Leistungsanstieg "durchgehen" – er ist in diesem Punkt inhärent sicher.

Fazit

Der DFR ist in der Lage, die Effizienz der Kernenergie um mindestens eine Größenordnung zu steigern und damit die fossilen Kraftwerke um zwei Größenordnungen zu übertreffen. Dies schafft die notwendige Voraussetzung für die Steigerung des Wohlstandsniveaus um den gleichen Faktor. Nur wenn die Kernenergie der Gesellschaft einen offensichtlichen Vorteil bietet, kann sie sich durchsetzen. Dass sie das bisher nicht oder zu wenig bietet, ist der eigentliche Grund des schleppenden Ausbaus seit den 70er Jahren.

Abbildungen

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Bild 1: Erntefaktor verschiedener Energietechniken (siehe Publikation hier) im Vergleich mit dem Dual Fluid Reaktor
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Bild 2: DFR-Reaktorkern
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Bild 3: Kraftwerk um den Dual Fluid Reaktor