Solarstandort Thüringen – Zwischenbilanz eines Fiaskos
Dabei hatte alles so schön angefangen: „Bundesministerin für Bildung und Forschung Prof. Dr. Annette Schavan, Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, Thüringens Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie Matthias Machnig und zahlreiche weitere Gäste aus Politik, Wirtschaft und Bildung unterstreichen die Bedeutung der neuen Bildungseinrichtung für den Wirtschafts- und Solarstandort Thüringen. (…) Schwerpunkte sind unter anderem die Bereiche Solartechnologie, Erneuerbare Energien, Halbleitertechnologie und Mikrosystemtechnik. Jährlich können dann insgesamt ca. 2500 Absolventen, darunter Schüler, Studenten, Auszubildende, Arbeitssuchende sowie Mitarbeiter und Führungskräfte aus Unternehmen, ihre Bildungsabschlüsse und Zertifikate erlangen. Insbesondere das breite Ausbildungsangebot im Bereich Solar und Erneuerbare Energien ist deutschlandweit einzigartig und wird Thüringens Position als einer der führenden Solarstandorte in Europa weiter stärken“, faßte eine befreundete PR-Agentur den feuchten Traum einer parteiübergreifenden Koalition anläßlich der Eröffnung zusammen.
Auf die warmen Worte von Bundeswissenschaftsministerin Schavan freute man sich besonders: „Aus Sicht von Schavan sei die Entscheidung, die Forschung in der Photovoltaik-Industrie mit 100 Millionen Euro zu fördern, der richtige Weg“, schrieb damals eine Zeitung. Allerdings zogen damals schon dunkle Wolken auf und die Ministerin hatte erste Subventionskürzungen zu verteidigen, wofür sie die Thüringer Landespolitik, eine schwarz-rote Koalition, damals heftig kritisierte. Plötzlich war auch nicht mehr von „2.500 Absolventen“, sondern nur noch von „351 Ausbildungsplätzen“ die Rede.
Wenig später schaute auch der damalige Umweltminister Röttgen vorbei und lobte das Projekt in den höchsten Tönen. Dabei wagte er die abenteuerliche Prognose, durch Solarstrom könnten Energiekosten gesenkt werden, denn „nur so könne teurer Energieimport aus dem Ausland durch regionale, erneuerbare Energieträger ersetzt werden.“ Christine Lieberknecht, die Ministerpräsidentin Thüringen, setzte noch einen drauf und erklärte, die „Fotovoltaik ist dabei, sich von einer Nische zu einem relevanten Bestandteil der Stromproduktion zu entwickeln.“
Mittlerweile liegen die Fakten auf dem Tisch: Trotz einer Subvention des Landes an den Träger des Zentrums, das „Bildungswerk für berufsbezogene Aus- und Weiterbildung“ (BWAW), von etwa 8 Millionen Euro (80 Prozent der Gesamtkosten) mußte das Hochtechnologie- und Solarzentrum bereits nach etwas über einem Jahr im Juni 2011 Insolvenz anmelden. „Zu Wochenbeginn standen sämtliche Lehrlinge vor verschlossenen Türen, weil der Strom abgeschaltet wurde und die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiter des Zentrums die Kündigung erhalten hatte“, hieß es dann Ende September 2011. Dabei kam heraus, daß im Solarzentrum inzwischen auch Kosmetikerinnen und Friseure ausgebildet wurden – aber offensichtlich auch nur deshalb, weil die Ehefrau eines der Solar-Geschäftsführer diesen Ausbildungsbereich bei der IHK verantwortete. Selbst die Behauptung der solar-seligen Thüringer Zeitungen, die Auslastung habe nur bei der Hälfte gelegen, muß vor diesem Hintergrund mit einem großen Fragezeichen versehen werden.
Dann meldete auch das BWAW Insolvenz an. Denn weil mit dem Wegfall der Lehrausbildung der Förderzweck nicht mehr erfüllt werden konnte, hatte es die 8-Millionen-Subvention zurückzahlen müssen, wozu es nicht mehr in der Lage war. Anscheinend war das Kompetenzzentrum bereits bei Eröffnung ein Jahrhundert-Flop, denn gegen seine beiden Geschäftsführer wurde – nach nur einem Jahr! – bereits wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung ermittelt. Ende August verhängte das Amtsgericht Erfurt dann deswegen Strafbefehle über „mehrere Tausend Euro“ gegen die beiden Geschäftsführer. Außer der Nichtzahlung von Löhnen wurde einem der Geschäftsführer „Betrug in vier Fällen zu Last gelegt“, meldete der MDR. Wobei sich natürlich die Frage nach den Mitwissern aufdrängt, die es nach Lage der Dinge ja bis hin höchste Regierungskreise geben müßte. Zumal das Zentrum trotz Unterauslastung einen teuren zweiten Standort in Fußnähe zum Thüringer Wirtschaftsministerium unterhielt.
Auch ansonsten sieht es finster aus: Die seit 2008 in Thüringen aufgebaute Bosch-Tochter „Bosch Solar“ schreibt tiefrote Zahlen und brachte dem Weltkonzern 2012 „gut eine Milliarde Verlust“ ein. Die jüngste Solar-Insolvenz betrifft den Erfurter Hersteller Asola. Der verzeichnete einen Umsatzrückgang von 73 Millionen (2010) auf 20 Millionen (2012) und mußte drei Viertel seiner Beschäftigten entlassen. Dabei hätte man es eigentlich besser wissen müssen, denn die Thüringer Solarbranche ist seit ihrer Entstehung aufs Engste mit dubiosen Machenschaften verbunden. So berichtete die „Welt“ bereits 2008 über die Insolvenz der Ökoanlagenfirma Ecovest AG „und der mit ihr verwobenen Solarfabrik Antec Solar in Thüringen“: „Die Pleite wirft einen Schatten auf die Bemühungen des Landes Thüringen, mit Millionensubventionen die Solarbranche rund um Erfurt zu päppeln“, hieß es dort. Dabei wurden um die 9,5 Millionen an direkten und indirekten Landes- und 3,5 Millionen Euro Bundessubventionen verbrannt. 2009 stritt man dann über die Kosten der Altlastensanierung bei Antec, während in Hinterzimmern schon die nächsten Solarsubventionen klar gemacht wurden.
Die Beteiligten an der Eröffnungsfeier von 2010 versuchen jetzt, sich heimlich still und leise aus der Affäre zu ziehen: Weder ist das Grußwort von Ministerin Schavan noch im Web auffindbar, noch die Webseite der einst vom Thüringer Wirtschaftsministerium betriebenen „Solarinitiative Thüringen“. Auf dem Server der Thüringer Landesregierung finden sich keine neueren Hinweise, wie man mit den angestoßenen Solarprojekten weiter verfahren will. Wirtschaftsminister (und Steinbrück-Berater) Machnig schiebt die Schuld weit von sich und verweist bequemerweise auf China. Auch auf der Webseite des länderübergreifenden „Solarvalley Mitteldeutschland“ ist es mittlerweile sehr ruhig geworden. Dabei wäre eine umfassende Aufklärung darüber, ob die Subventionsverbrennung vorsätzlich, das heißt, mit dem Wissen und der bewußten Inkaufnahme ihrer Sinnlosigkeit durch die Beteiligten, dingend geboten.
Dr. Holger Thuß, Europäisches Institut für Klima und Energie