Das Rätsel um klimabestimmende Strahlungs-Antriebe (forcings)
Was also ist Strahlungsantrieb im ursprünglichen Sinne? Nun, das wird etwas kompliziert. Im Vorgeschichte Kapitel des 4. Sachstandsbericht (AR4) spricht das IPCC vom Ursprung des Konzeptes (Hervorhebung von mir):
Das Konzept des Strahlungsantriebs (RF) als das Strahlungs-Ungleichgewicht (W/m²) im Klimasystem an der Obergrenze der Atmosphäre infolge Addition eines Treibhausgases (oder andere Änderungen) wurde zu der Zeit etabliert und in Kapitel 2 des 1. Zustandsberichtes zusammengefasst.
Bild rechts: Eine Graphik von Temperatur und Höhe, die zeigt, dass die Tropopause in den Tropen höher liegt als an den Polen. Die Tropopause markiert die Grenze zwischen der Troposphäre (der untersten atmosphärischen Schicht) und der Stratosphäre. Quelle
Das Konzept des Strahlungsantriebs wurde klar im 3. Sachstandsbericht (TAR) dargelegt, in dem der Strahlungsantrieb folgendermaßen definiert worden ist:
Der Strahlungsantrieb des Systems Oberfläche-Troposphäre infolge des Eindringens in oder der Einbringung eines Faktors (sagen wir mal, eine Änderung der Treibhausgaskonzentrationen) ist die Änderung der gesamten (nach unten minus nach oben) Strahlung (Solar- plus Langwellenstrahlung in W/m²) an der Tropopause, NACHDEM die Temperatur der Stratosphäre genügend Zeit hatte, sich an das Strahlungsgleichgewicht anzupassen, jedoch mit den Temperaturen in der Troposphäre und an der Oberfläche, die gegenüber dem unbeeinflussten Zustand stabil gehalten werden.
Im Zusammenhang mit Klimaänderung ist der Term Antrieb begrenzt auf Änderungen der Strahlungsbilanz des Systems Oberfläche-Troposphäre, die durch externe Faktoren erzwungen werden, ohne Änderungen der Dynamik in der Stratosphäre, ohne irgendwelche aktiven Oberflächen- und Troposphäre-Rückkopplungen (d. h. keine Sekundäreffekte der troposphärischen Bewegungen oder ihrem thermodynamischen Zustand) und ohne dynamisch induzierte Änderungen der Menge und Verteilung atmosphärischen Wassers (Wasserdampf, flüssig und fest).
Was also stört an dieser Definition von Antrieb?
Nun, am meisten stört mich, dass es nicht die Definition einer messbaren physikalischen Quantität ist.
Wir können die mittlere Temperatur an der Oberfläche messen oder sie zumindest in konsistenter Weise durch eine Anzahl von Messungen abschätzen. Aber wir können niemals die Änderung der Strahlungsbilanz messen, NACHDEM sich die Stratosphäre neu angepasst hat, aber mit festgeschriebenen Werten der Oberflächen- und Troposphären-Temperatur. Man kann keinen Teil des Klimas fest halten. Das geht einfach nicht. Dies bedeutet, dass die Sicht des IPCC des Strahlungsantriebs ein rein imaginärer Wert ist, der für immer hinsichtlich experimenteller Bestätigung oder Messungen unzugänglich ist.
Das Problem besteht darin, dass die Oberflächen- und Troposphären-Temperaturen auf Änderungen der Strahlung in einem Zeitskala in der Größenordnung von Sekunden reagieren. Sowie die Sonne auf die Oberfläche trifft, beginnt sie, die Temperatur an der Oberfläche zu beeinflussen. Selbst stündliche Messungen des Strahlungsungleichgewichtes reflektieren die sich ändernden Temperaturen an der Oberfläche und in der Troposphäre in dieser Stunde. Es gibt keine Möglichkeit, „Oberflächen- und Troposphären-Temperaturen gegenüber den unbeeinflussten Werten stabil zu halten, wie es der IPCC-Formulierung zufolge verlangt wird.
Es gibt eine zweite Schwierigkeit der IPCC-Definition des Strahlungsantriebs, ein praktisches Problem. Dies besteht darin, dass der Antrieb als an der Tropopause gemessen definiert wird. Die Tropopause ist die Grenzschicht zwischen der Troposphäre (der untersten atmosphärischen Schicht, in der sich die Wettervorgänge abspielen) und der Stratosphäre darüber. Unglücklicherweise variiert die Tropopause mit der Höhe von den Tropen zu den Polen, von Tag zu Nacht und von Sommer zu Winter. Die Tropopause ist eine höchst vage zu lokalisierende, unstete und ungehorsame Kreatur, die weder Troposphäre noch Stratosphäre ist. Eine offizielle Definition lautet:
[Die Tropopause ist] die Grenze zwischen der Troposphäre und der Stratosphäre, an der es normalerweise zu einer abrupten Änderung des vertikalen Temperaturgradienten [lapse rate] kommt. Sie ist definiert als die unterste Schicht, in der die Lapse Rate auf 2°C/km oder weniger abnimmt unter der Voraussetzung, dass die mittlere Lapse Rate zwischen diesem Niveau und allen höheren Niveaus innerhalb von 2 km nicht größer ist als 2°C/km.
Das ist eine interessante Definition. Sie bedeutet, dass es zwei oder mehr Schichten geben kann, die wie die Tropopause aussehen (geringe Temperaturänderung mit der Höhe), und wenn es mehr als eine gibt, gilt diese Definition immer für diejenige in größerer Höhe.
In jedem Falle ergibt sich dieses Problem, weil nach IPCC-Definition die Strahlungsbilanz in der Tropopause gemessen wird. Aber es ist sehr schwierig, die Strahlung an der Tropopause zu messen, sowohl die einfallende als auch die ausgehende Strahlung. Man kann es nicht vom Boden aus und auch nicht von einem Satelliten aus. Man muss es mittels eines Wetterballons oder von einem Flugzeug aus machen, während man kontinuierlich Temperaturmessungen vornimmt, so dass man die Höhe der Tropopause an dieser Stelle und zu dieser Zeit identifizieren kann. Wir werden daher niemals in der Lage sein, dies auf globaler Basis zu messen.
Selbst wenn wir also nicht schon jetzt über eine nicht messbare Größe reden (Strahlungsänderung mit Reaktion der Stratosphäre bei gleichzeitigem stabil halten der Oberflächen- und Troposphären-Temperatur) werden wir wegen praktischer Probleme immer noch nicht in der Lage sein, die Strahlung in der Tropopause in irgendeinem globalen, regionalen oder sogar lokalen Maßstab zu messen. Alles, was wir haben, sind verstreute punktuelle Messungen, weit davon entfernt, mit ihnen ein globales Mittel bilden zu können.
Das ist sehr unangenehm. Es bedeutet, dass der „Strahlungsantrieb“, wie er vom IPCC definiert wird, aus zwei voneinander unabhängigen Gründen nicht messbar ist, einem praktischen Grund und weil die Definition eine imaginäre und physikalisch unmögliche Situation enthält.
Nach meiner Erfahrung ist dies in den Theorien physikalischer Phänomene ungewöhnlich. Ich weiß von keinem anderen Bereichen der Wissenschaft, die fundamentale Konzepte auf die Grundlage unmessbarer imaginärer Variablen stellen, und nicht auf eine messbare physikalische Variable. Die Klimawissenschaft ist schon seltsam genug, weil mit ihr Mittelwerte studiert werden und nicht Beobachtungen. Aber diese Definition des Antriebs schiebt dieses Fachgebiet in die Unwirklichkeit.
Hier liegt das Hauptproblem. Der IPCC-Definition zufolge kann der Strahlungsantrieb niemals gemessen werden. Das macht es unmöglich, den zentralen Gedanken zu falsifizieren, dass die Änderung der Oberflächentemperatur eine lineare Funktion der Änderung des Antriebs ist. Da wir den Antrieb nicht messen können, wie kann er falsifiziert (oder bewiesen) werden?
Aus diesem Grunde benutze ich eine etwas andere Definition für den Antrieb. Dies ist die Gesamt-Strahlungsänderung, nicht in der Troposphäre, sondern an der Obergrenze der Atmosphäre (top of atmosphere) TOA, oftmals aus praktischen Gründen in einer Höhe von 20 km.
Und anstelle einiger imaginärer Messungen, nachdem einige, aber nicht alle Teile des Klimasystems auf Änderungen reagiert haben, nutze ich den Antrieb, NACHDEM sich alle Teile des Klimas an die Änderung angepasst haben. Jede Messung, die wir jetzt schon durchführen können, müssen alle Anpassungen der Oberflächen- und Troposphären-Temperaturen welcher Art auch immer einschließen, die sich seit der letzten Messung ereignet haben. Es ist diese Definition von „Strahlungsantrieb“, die ich in meinem jüngsten Beitrag An Interim Look at Intermediate Sensitivity [demnächst ebenfalls auf Deutsch bei EIKE] verwendet habe
Ich habe in diesem Beitrag keine speziellen Schlussfolgerungen gezogen außer, dass das hier beschriebene Vorgehen des IPCC abwegig ist, wenn man imaginäre Werte verwendet, die niemals gemessen oder verifiziert werden können.
Link: http://wattsupwiththat.com/2012/12/12/the-forcing-conundrum/
Übersetzt von Chris Frey EIKE