An der Lebenswirklichkeit vorbei

Das Urteil eines ehemaligen DDR-Bürgers zur Energiewende und seine auf der damaligen Lebenswirklichkeit basierenden Analogieschlüsse zum real existierenden Sozialismus (Marxismus/Leninismus) wurden von der FAZ in einem als ungewöhnlich umfangreich zugelassenen Leserbrief vom 3.11.2012 abgedruckt. Trotz der erkennbaren Meinungspaltung der FAZ-Redaktion in der Energie- und Klimafrage sowie der dadurch bedingten, oft nicht sachgerechten Berichterstattung ist der FAZ zum Abdruck des Leserbriefs zu gratulieren. Mit Erlaubnis des Leserbriefverfassers, Herrn Daniel J. Hahn, der Leserbrief nachfolgend in Originallänge:
Zur Berichterstattung über das EEG und die Energiewende: Als wir nach der Revolution im Herbst 1989 aus der DDR zum ersten Mal in die Bundesrepublik fuhren, trafen wir dort Menschen, die viel geschaffen hatten. Die Wohnsiedlungen waren unglaublich aufgeräumt, die Städte sauber und die Autos, verglichen mit unseren Fahrzeugen, technisch schon weit ins nächste Jahrtausend vorausgeeilt. Hoher Sicherheitsstandard, niedriger Verbrauch und kaum Schadstoffe im Abgas. Kurz: So wie es hier aussah, sollte es auch bei uns bald aussehen.
In unglaublicher Aufbruchstimmung sortierten die Menschen ohne gesetzliche Vorgaben ihre alten Autos aus und kauften neue nach westlichem Standard. Die alte Ofenfeuerung mit Braunkohlebriketts verschwand, und neue Heizungssysteme, moderner als viele in den alten Bundesländern, wurden eingebaut. Der technologische Standard der alten Bundesrepublik war der Ausweis für die Überlegenheit und den Erstrebenswert des Systems der Bundesrepublik. Dennoch lastete von Beginn der Vereinigung der beiden deutschen Staaten an eine unsichtbare Last auf der Entwicklung. Nicht alle freuten sich ungeteilt über unser Glück.  Der moralische Zeigefinger wurde allzu bald erhoben, technischer Fortschritt war für einige im Westen eben nicht erstrebenswert. Die Grünen forderten gar 5 DM pro Liter Benzin und konnten vom alten Kampf gegen die Kernkraft, der in Wahrheit der Kampf ihrer alten Bewegung gegen das System Bundesrepublik war und ist, nicht lassen. Nicht ohne Grund enden die Standardwerke dieser Bewegung von Jungk und Pausewang im nationalsozialismusgleichen Polizeistaat.
Die alten Parolen wurden wie die Monstranz der immergrünen Moral auch in das wiedervereinte Deutschland getragen. An unserer Lebenswirklichkeit aber, dem Drang, Verpasstes aufzuholen, ging dieser Kampf gegen die Technik völlig vorbei. Dementsprechend schwach waren und sind die Grünen auch in der Politik der neuen Bundesländer vertreten.  Erst mit der Abwahl der Bundesregierung unter Helmut Kohl und dem Antritt der ersten rot-grünen Bundesregierung 1998 erhielt der alte Straßenkampf gegen die sogenannte Atomlobby neuen, vor allem institutionalisierten Schwung. Das alte sinnstiftende Symbol wurde sehr schnell mit dem Atomkompromiss gekrönt und vermittels EEG ein Instrument geschaffen, welches den Sieg des quasianarchistischen Technikressentiments über die mit dem Staat gleichgesetzte Hochtechnologie Kernkraft besiegeln sollte. Die technologisch unterentwickelten und unterlegenen Alternativen Photovoltaik und Windkraft sollten, koste es, was es wolle, gefördert werden. Gleichzeitig wurde ein Fahrplan zum Ausbau der sogenannten erneuerbaren Energien entwickelt, an dessen Zielpunkt nicht nur die gehassten Kernkraftwerke ersatzlos gestrichen, sondern auch die Kohle als Brennstoff aus der Elektrizitätsgewinnung verschwinden sollte. Treu der Devise, die Sonne schreibt keine Rechnung, wird nun gefördert auf Teufel komm raus. Und die 1989 endlich abgestreifte, weil gescheiterte Planwirtschaft hat uns wieder. Was im Konsumsystem der DDR schon absurd genug war – ein Kleintierzüchter durfte seine Tiere gegen einen garantierten Abgabepreis an die Handelsorganisation der DDR verkaufen: diese Tiere wurden dann an der Ladentheke meist mit einem deutlich niedrigeren Preis wieder verkauft. Es wäre hier schon einfacher gewesen, man verspeiste sein Federvieh und schickte nur noch eine Rechnung, um die Differenz zu kassieren.
Wie nun beim EEG waren die Bewohner der städtischen Mietwohnungen benachteiligt. Die Analogien im EEG mit seinen garantierten Phantasieeinspeisevergütungen sind leider zu frappierend und zeichnen den Weg zumindest des Gesetzes, wenn nicht des Staates, aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus, vor. Hier profitieren zumeist wohlhabende Grund- und Hauseigentümer sowie Finanzierungsgesellschaften von der von Rot-Grün entgegen der krokodilstränenschwangeren Sozialrhetorik betriebenen Wohlstandsumverteilung von unten nach oben. Fiel die Umlage wegen der zu geringen Zahl installierter Anlagen zunächst kaum ins Gewicht, rollt nun eine Kostenlawine, die ohne den Kraftakt der sofortigen Streichung der Subventionen und aller im Gesetz festgelegten Garantien, nicht mehr zu stoppen ist. Mit bis heute fast einhundert Milliarden Euro haben die Kunden der Elektrizitätsversorger Windkraftwerke, Solaranlagen und in geringerer Zahl andere sogenannte Erneuerbare subventioniert. Im Jahr 2012 allein beläuft sich die Umlage auf knapp zwanzig Milliarden Euro. Selbst wenn ab 2013 die Förderung für Neuanlagen wegfiele, müssten wegen der für zwanzig Jahre gesetzlich garantierten Einspeisevergütung bis 2032 fast vierhundert Milliarden Euro von den Verbrauchern aufgebracht werden. Dabei ist der Anteil der sogenannten Erneuerbaren mit zirka zwanzig Prozent am derzeitigen Energiemix eher gering und nicht einmal grundlastfähig. Da aber die Bundesregierung bis 2035 die Hälfte des Energiemixes aus sogenannten Erneuerbaren stellen will, kann sich jeder ausrechnen, wie teuer die Aufgabe wird. Abhilfe durch eine neue Regierung ist kaum zu erwarten, schließlich findet sich kein führender Politiker, egal, welcher Couleur, der den Sinn der Energiewende öffentlich bezweifelt: Die Energiewende ist richtig, weil sie wahr ist! Bundesumweltminister Peter Altmaier sprach auf dem Deutschlandtag der Jungen Union jüngst von einem unumkehrbaren Projekt, über dessen Richtigkeit er in einigen Jahrzehnten mit Phillip Mißfelder in einem Berliner Kaffe urteilen will.
Was in der ideologischen Ecke der bundesrepublikanischen Systemgegner, assistiert von der Stasi, begann, hat sich nun zu einem veritablen Monster ausgewachsen, dessen Protagonisten die Alternativlosigkeit beschwören. So ähnlich konnten wir das vor 1989 schon im Marxismus-Leninismus hören, und dieses Projekt ist mit ungeheuren Opfern gescheitert. Deshalb muss ich laut ausrufen: hört auf!
Daniel J. Hahn, Bad Grönenbach
Es sei als Abschlussbemerkung erlaubt, an die offiziell genannten Gründe der Energiewende zu erinnern. Zuerst war es CO2-Vermeidung für den „Klimaschutz“, danach die KKW-Havarie in Fukushima, bei der kein Strahlungsopfer zu beklagen war. Eine Ethik-Kommission, die als Mitglieder einen Erz-, einen Landesbischof und den Vorsitzenden des Zentralkomitees deutscher Katholiken, aber keinen Energieexperten aufwies, wurde für die Entscheidung gegen die deutsche Kernkraft und für die Energiewende herangezogen.
Für einen wissenschaftlich kundigen, unvoreingenommenen Beobachter ist es angesichts der Messdaten nicht nachvollziehbar, wie die theoretisch bekannte, äußerst geringfügige Erwärmungswirkung des anthropgenen CO2 einen maßgebenden Einfluss auf Erdtemperaturen ausüben kann. Aus diesem Grund müssen schließlich Klimamodelle bemüht werden, deren Fragwürdigkeit notorisch ist. Die CO2-Gesamtbilanz der „Erneuerbaren“ ist zudem ein Nulleffekt.
Warum ausgerechnet von den sichersten Kernkraftwerken der Welt eine derartige Gefahr ausgehen soll, dass ihre sofortige Abschaltung notwendig wird, erschließt sich ebenfalls nicht.
Dem Leserbriefschreiber, Herrn Hahn, ist daher in seiner Analyse zuzustimmen, dass die Energiewende als Instrument längst bekannter ideologischer Gruppierungen dient, um das verhasste Erfolgsmodell „Industrienation Deutschland“ aus den Angeln zu heben. Hierbei werden sie von konkurrierenden Industrienationen vermutlich sogar mit stillem Wohlwollen bedacht – fällt doch ein lästig erfolgreicher Konkurrent auf dem Weltmarkt zukünftig weg. Erschreckend ist, wie sich eine intelligente Nation durch Ideologen in Schockangststarre vor der Kernenergie treiben und auf den Weg in ungeeignete Methoden der Stromerzeugung lenken lassen konnte. Wir haben es offenbar wieder mit dem historisch bekannten Konformitätsphänomen der Deutschen zu tun. Die Gründe, warum die deutsche Intelligenz sich wieder vor einen ideologischen Karren mit hohem Unheilspotential spannen lässt, sind die gleichen wie in der Vergangenheit:
1. Unterschätzung der Gefahr.
2. Karriere-, Konformitäts-, Konsens- und Profitstreben von Unternehmen und von Einzelnen.
3. Bequemlichkeit und mangelnde Zivilcourage.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
EIKE-Pressesprecher