Streit bei der Acatech über Klimaforschung: Eine Frage der Ehre oder der wissenschaftlichen Etikette?
Zuerst ein Auszug aus der Stuttgarter Zeitung zur Klärung der unterschiedlichen Standpunkte, die zu dem Eklat führten. Sie titelte am 11.9.2012 "Rauhe See in der Klimaforschung" und führt u.a. aus:
"…vier Mitglieder der 43-köpfigen Arbeitsgruppe möchten das Papier nicht mittragen. Acatech hat ihnen angeboten, ein Sondervotum in den Bericht aufzunehmen, doch das haben die vier abgelehnt. Was ist falsch daran, auf die Anpassung an den Klimawandel besonders einzugehen, wenn dieser Punkt, wie es im Bericht heißt, zu einer „effektiven Klimapolitik“ gehört, gleichwohl aber wenig diskutiert wird? Aus dem Gremium ausgetreten sind der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker, der Meteorologe Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung sowie zwei weitere Klimaforscher – ein Verlust für die Studie, wie von Storch findet: „Am Ende ist keiner der Autoren ausgewiesener Experte der Klimaforschung.“ In einer eigenen Stellungnahme beschreiben die vier Forscher einen „fundamentalen Dissens“: Ihrer Ansicht nach hat die Klimaforschung die physikalischen Grundlagen von Treibhausgasen und Temperaturanstieg hinreichend geklärt. Acatech hält hingegen fest, dass man nicht abschätzen könne, wie sehr die Sonnenaktivität und Vulkanausbrüche das Klima der vergangenen 150 Jahre beeinflusst haben. Der Weltklimarat hatte es in seinem letzten Bericht als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet, dass der größte Teil des gemessenen Temperaturanstiegs der vergangenen Jahrzehnte auf Treibhausgase zurückgeht.
Nun sind zunächst einmal Klimawandel, Temperaturanstiege und Temperaturabnahmen die natürlichste Sache der Welt. Konstantes Klima und konstante Jahresmitteltemperaturen gab es noch nie und wird es auch in Zukunft nie geben können. Daher ist Anpassung stets ein Gebot der Stunde. Also worum geht es dann? Den Grund, warum die 4 Mitglieder austraten, nennt die Stuttgarter Zeitung wie folgt:
"Ihrer Ansicht (Anm. EIKE: Ansicht der 4 ausgetretenen Klmaforscher) nach hat die Klimaforschung die physikalischen Grundlagen von Treibhausgasen und Temperaturanstieg hinreichend geklärt."
Im Klartext: Die ausgetretenen Mitglieder sind mit keinen weiteren Erläuterungen zu den Ursachen von Klimawandel als denen des IPCC einverstanden und sehen dafür auch keinen Bedarf. Es sei erlaubt, vehement zu widersprechen. Klärung der physikalischen Grundlagen – absolut einverstanden! Aber Klärung der Ursachen irgendwelcher Temperaturanstiege? – definitiv "NEIN". Außer den Milankovitch-Theorien, die sich nur mit sehr langfristigen Klimaänderungen befassen, ist so gut wie nichts über die Ursachen von Klimaänderungen bekannt. Und selbst hier gibt es unterschiedliche Hypothesen (hier und hier).
Unkenntnis über die Ursachen von Klimawandel ist schließlich der Grund, warum man es mit Klimamodellen versucht. Klimamodelle haben aber noch nicht einmal die Eintrittspunkte von El-Nino-Ereignissen vorhersagen können, und sie fordern den berühmten Hot Spot über den Tropen, der unauffindbar ist. Von einem beweiskräftigen Nachweis, dass anthropogenes CO2 auf Erdtemperaturen einwirkt (gemäß den physikalischen Grundlagen muss es dies in sehr geringem Ausmaß tun) kann noch weniger die Rede sein. Man hat bis heute keinen derartigen Nachweis gefunden – alle Veränderungen sind auch mit natürlichen Einflüssen bestens erklärbar! Klimaveränderungen der Vergangenheit gingen in vielen Fällen nicht nur schneller vonstatten, sie waren zudem auch noch weit heftiger als heute. Die in der Literatur als "attribution and detection problem" bezeichnete Suche nach dem Einfluss des anthropogenen CO2 harrt leider immer noch ihrer Auflösung. Auch wenn es in der Klimaforschung niemand gerne hören will – über die Ursachen von Klimaänderungen wissen wir auch heute noch so gut wie nichts.
Was ist dann daran auszusetzen, wenn ein Mitglied oder gar die Leitung des Acatech-Ausschusses Hypothesen nennt, die nicht dem IPCC-Kanon entsprechen? Bei so viel Unsicherheiten darf es gestattet sein, und als unwissenschaftlich darf man es nicht bezeichnen. Dennoch führt insbesondere Hans v. Storch aus:
"Man hätte die Strategien der Anpassung nicht losgelöst von der Alternative, der Vermeidung von Treibhausgasen, diskutieren dürfen. „Man hätte gleich zu Anfang klarstellen müssen, dass der Anpassungsbedarf steigt, wenn die Emissionen steigen“
Wieso steigt der Anpassungsbedarf, wenn die Emissionen steigen? Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch steigende CO2-Emissionen tatsächlich gefährliche Temperatursteigerungen und zunehmende Extremwetterereignisse entstünden. Dieser Zusammenhang ist aber nicht nur ungesichert, er ist nach Auffassung vieler renommierter Klimaforscher unzutreffend. Immerhin sind gemäß IPCC (IPCC-Report, 2001, AR-02, Kap. 2.7 sowie hier) bis heute keine Extremwetterzunahmen bekannt, obwohl die atmosphärischen CO2-Konzentrationen, verursacht durch den Menschen, seit Beginn der Industrialisierung kräftig zugenommen haben . Den physikalischen Grundlagen folgend, müssen wir mit einer globalen Temperatursteigerung zwischen 0.6 und 1.1 °C bei CO2-Verdoppelung rechnen (H.Harde, Geophys. Res. Abstracts, Vol. 13, EGU2011-4505-1, 2011 sowie die IPCC-Reports). Ob diese unmaßgebliche Erwärmung einen Anpassungsbedarf erfordert, der über den sich aus den natürlichen Klimaänderungen ohnehin schon ergebenden Anpassungsbedarf hinausgeht, ist nicht sehr wahrscheinlich.
Wie EIKE bereits mehrfach berichtete, basieren alle weiteren, über die vorgenannten Zahlen hinausgehenden Temperatursteigerungen auf Klimamodellen (Wasserdampfrückkoppelung), die ihren Zuverlässigkeitsnachweis bislang nicht erbringen konnten. Mit physikalischen Grundlagen haben diese Modelle nur wenig zu tun. Hier wurde das seit Galilei bewährte Paradigma der Physik, dass Messungen die Priorität vor Modellen haben müssen, in postmoderner Vorgehensweise außer Kraft gesetzt. Die Öffentlichkeit ist sich nicht einmal bewusst, dass Klimakatastrophen auf einem mittelalterlichen Pradigma der physikalischen Beurteilung (Klimamodelle) beruhen. Man kann es auch ironisch ausdrücken. Die Physik ist in einem Zweig der Klimatologie (Klimamodellierung) inzwischen von der Natur- zur Geisteswissenschaft mutiert.
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Anmerkung und Korrektur des Autors, 20.9.2012: Der in der ursprünglichen Version Prof v. Storch zugeschriebene Blogbeitrag
"hatten sie erwartet mit Leuten wie Vahrenholt ernsthaft zusammenarbeiten zu können? ….. Aber wenn man Vahrenholts Missrepräsentation der Wissenschaft sieht und liest, frage ich mich, wie man da überhaupt eine gemeinsame Diskussionsgrundlage bekommen soll. Es geht gar nicht."
beruht auf einer unbeabsichtigten Verwechslung. Das "@v. Storch" im Blog bedeutet, dass der vorgenannte Text an v.Storch gerichtet, nicht aber von ihm verfasst ist. Der Autor bittet für diesen Irrtum alle Leser und v. Storch – falls er denn den EIKE-beitrag überhaupt zur Kenntnis genommen hat – um Entschuldigung und dankt dem EIKE-Leser Sören Hader für seinen Hinweis auf diesen Irrtum.
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Wieso geht es nicht? Wenn Vahrenholt (immerhin Professor für Chemie und somit akademischer Kollege von v. Storch) die Wissenschaft in seinem Buch "Die kalte Sonne" missinterpretiert, sollte man mit ihm darüber wissenschaftlich streiten und vom Gegenteil überzeugen. Alles andere widerspricht der wissenschaftlichen Etikette. Diskussionsverweigerung und Austritte aus Arbeitsgruppen tragen vielleicht zur Ehre einer Gruppe, nicht aber zur wissenschaftlichen Wahrheitsfindung oder gar zur Aufklärung der Öffentlichkeit bei. EIKE bedauert es außerordentlich, dass ausgerechnet ein so renommierter Meteorologe wie Hans v. Storch keinen anderen Weg fand als den Austritt. Bemerkenswerterweise sind nämlich viele Publikationen von v. Storch nicht gerade als mustergültige Befolgung der IPCC-Linie zu bezeichnen (hier und hier).
Die Acatech-Affaire war zweifellos ein Tiefpunkt für Klimawissenschaft und kollegiales Umgehen miteinander. Wir wünschen aus vollem Herzen, dass der Diskurs unter verdienten Forschern (dazu gehören alle Beteiligten) wieder aufgenommen wird und auf allen Seiten mehr Verständnis und Toleranz für andere Positionen als die eigene aufkommen.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
EIKE Pressprecher