Peter Altmaier versucht, über die Runden zu kommen
Dass Altmaier gerade am Tag vor der Verkündigung seiner 10 Punkte der Inbetriebnahme des größten und modernsten Braunkohle-Kraftwerks der Welt bei Grevenbroich-Neurath beiwohnte, spricht Bände! In der Tat hat die „Energiewende“ bislang genau das Gegenteil der erklärten Ziele bewirkt, nämlich eine Zunahme statt einer Drosselung des Ausstoßes von Kohlenstoffdioxid, das im Verdacht steht, die globale Erderwärmung zu beschleunigen. Infolge des überstürzten „Atom-Ausstiegs“ ist die „schmutzige“ Braunkohle bei uns wieder zum wichtigsten Primärenergieträger geworden. Die Deutschen können froh sein, dass der Energiekonzern RWE, der das neue Kraftwerk betreibt, weiterhin auf die Braunkohle setzt. Denn die von der politischen Klasse über den grünen Klee gelobten „Zukunftsenergien“ Wind, Sonne und Biomasse haben uns bislang nur Ungemach bereitet.
Das beginnt mit der durch die 20-jährige Stromabnahmepreisgarantie des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) ins Rollen gebrachte unkontrollierbare Kostenlawine. Die wiederholte Ankündigung von Senkungen beziehungsweise einer Deckelung der Einspeisevergütung hat zu einem Torschluss-Wettlauf beim Zubau von Photovoltaik-Kapazitäten geführt. Im kommenden Jahr soll die EEG-Umlage, die mittelständische Betriebe und Endkunden mit ihrer monatlichen Stromrechnung begleichen müssen, schon fünf Eurocent je Kilowattstunde betragen. Fachleute schätzen aber, dass aus den fünf Eurocent leicht auch sechs oder sieben werden können, weil die Zubau-Zahlen für das Jahr 2011 noch immer nicht veröffentlicht wurden. Die nationale Anti-EEG-Bewegung (NAEB e.V.) schätzt, dass allein der äußerst unzuverlässige Photovoltaik-Strom im Jahre 2011 durch die Stromkunden mit fast acht Milliarden Euro subventioniert wurde. Hinzu kamen schätzungsweise 4,3 Milliarden Euro für Wind- und 4,5 Milliarden Euro für Biogas-Strom. In diesem Jahr werden die gesamten EEG-Subventionen vermutlich über 20 Milliarden Euro liegen. Dazu kommen bald noch die unübersehbaren Haftungsrisiken der Netzanbindung der Offshore-Windparks, die nach einer politischen Übereinkunft mit den dort engagierten Firmen ebenfalls den Stromkunden aufgebrummt werden sollen.
Altmaier sieht richtig, dass diese Entwicklung sozialen Sprengstoff birgt. Wie das EEG um eine „soziale Komponente“ ergänzt werden könnte, deutet Altmaier aber nicht einmal an. Er bietet den „Einkommensschwachen“ lediglich eine kostenlose Energiesparberatung an. Damit überschreitet er die Grenze zum offenen Zynismus und bekräftigt gleichzeitig das mittlerweile in allen etablierten Parteien vorherrschende maternalistische Politikverständnis. Altmaier kündigt für Ende September einen „Verfahrensvorschlag zu einer grundlegenden Überarbeitung des EEG“ an. In Wirklichkeit lassen die bisherigen Erfahrungen nur einen Schluss zu: Das EEG muss weg. Die Produktion von subventioniertem Strom muss völlig eingestellt werden, damit der Strompreis wieder sinkt. Doch davor drückt sich Altmaier, weil er offenbar die EEG-Profiteure (schlaue Bauern, Zahnärzte, Oberstudienräte und sonstige gut verdienende Beamte und Freiberufler) vor der Bundestagswahl nicht verprellen will.
Altmaier sucht den „Konsens“ über den Zubau von Windkraft- und Biomasse-Kapazitäten und die dafür nötigen neuen Stromtrassen, deutet aber nicht einmal an, wie die Verspargelung, Vermaisung und Verkabelung der ganzen Republik mit den Anforderungen des Naturschutzes vereinbart werden könnte. Private Betriebe sollen „Energiemanagement-Systeme“ einführen und mithilfe von „Energie-Scouts“ für einen effizienteren Einsatz der immer teurer werdenden Energie sorgen. Um 30 Prozent könne dadurch der Strombedarf gesenkt werden. Ob das deutsche Firmen-Standorte in den Stand versetzen könnte, mit US-Standorten zu konkurrieren, die Strom und Gas für einen Bruchteil der in Deutschland verlangten Preise anbieten, fragt Altmaier nicht. Kurz: es geht Altmaier wohl hauptsächlich darum, die fundamentalen Widersprüche der „Energiewende“ bis zum Wahltermin zu verkitten. Aber schon eine Kältewelle im kommenden Winter könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.
Edgar Gärtner EIKE zuerst erschienen auf Junge Freiheit