Klimaforscher Hansens Hütchenspiel
Abbildung 1 rechts: Der Taschenspieler von Hieronymus Bosch, gemalt 1475 bis 1480. Man nimmt an, dass die Art von Tricks des Taschenspielers unter den Ursprüngen des Hütchenspiels sind.
Ich bringe das hier, weil unser bevorzugter Spieler, James Hansen, wieder seine alten Tricks vorführt. Es gibt eine neue Studie von ihm unter dem Titel Paleoclimate Implications for Human-Made Climate Change (etwa: Paläoklimatische Auswirkungen auf die menschengemachte Klimaänderung). Und wie immer muss man herausfinden, unter welcher Muschel sich die Erbse versteckt.
Hier folgt sein Geldgraph, der in der Blogosphäre sehr viel Aufmerksamkeit bekommt. Die wesentliche Beobachtung der Leute, die ich gesehen habe, ist die, dass Hansen nach den bisher gescheiterten Prognosen sich jetzt der bewährten Nostradamus-Route zuwendet und einen Meeresspiegelanstieg für die Zeit vorhersagt, wenn er 137 Jahre oder so alt ist…
Abbildung 2: Hansens Abbildung 7 – ORIGINAL-BILDUNTERSCHRIFT: „Änderung des Meeresspiegels um 5 Meter unter der Annahme linearer und exponentieller Änderung (Hansen 2007), letzteres mit einer Verdoppelungszeit von 10 Jahren“.
Die Leute sagen, dass die schlechte Nachricht lautet, es sieht so aus, als ob wir vor 2040 nicht in der Lage sein werden zu prüfen, ob Hansens Behauptung zutrifft. Aber darum geht es überhaupt nicht. Diese Leute beobachten die Erbse nicht genau genug.
In der Studie von Hansen heißt es:
Das IPCC (2007) projizierte einen Anstieg des Meeresspiegels bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 29 cm (im Mittel 20 bis 43 cm, in voller Bandbreite 18 bis 59 cm). In diesen Projektionen sind jedoch nicht die Beiträge der Dynamik der Eisschilde enthalten, weil die Physik dieser Eisschilde nicht gut genug verstanden ist.
Rahmstorf (2007) trug mit einem wichtigen Hinweis zur Diskussion um den Meeresspiegel bei, indem er darauf hinwies, dass selbst eine lineare Beziehung zwischen der globalen Temperatur und der Rate des Meeresspiegelanstiegs, kalibriert mit den Daten aus dem 20. Jahrhundert, einen solchen Anstieg um einen Meter impliziert unter der Voraussetzung der globalen Erwärmung durch BAU Treibhausgasemissionen. …
… Hansen (2005, 2007) argumentiert, dass sich verstärkende Rückkopplungen die Auflösung der Eisschilde notwendigerweise hochgradig nicht linear machen, und dass der BAU-Antrieb [BAU = Business As Usual] des IPCC so gewaltig ist, dass schwierig zu erkennen ist, wie die Eisschilde das überstehen könnten. Mit der zunehmenden Erwärmung wird die Anzahl der zum Massenverlust beitragenden Eisströme zunehmen und so zu einer nichtlinearen Reaktion beitragen, der man sich besser durch eine exponentielle als eine lineare Approximation annähert. Hansen (2007) schlug vor, dass eine zeitliche Verdoppelung von 10 Jahren plausibel wäre, und wies darauf hin, dass eine solche Verdoppelung bei einem angenommenen Anstieg von 1 mm pro Jahr in der Dekade von 2005 bis 2015 zu einem kumulativen Anstieg um 5 m bis 2095 führen würde.
Die Kurzversion hiervon lautet:
-
Das IPCC prognostiziert einen Meeresspiegelanstieg um 30 cm, aber sie berücksichtigen das Eis nicht.
-
Rahmstorf sagt, dass eine lineare Projektion einen Anstieg des Meeresspiegels um etwa einen Meter ergibt.
-
Hansen 2007 sagt, dass in Rahmstorfs Arbeit ein exponentieller Term fehlt, weil das Eis mit jedem Jahr schneller schmilzt.
OK, Hansen ruht sich also auf den Behauptungen aus, die er 2007 aufgestellt hat, die sich als Scientific reticence and sea level rise (etwa: Wissenschaftliche Zurückhaltung und Anstieg des Meeresspiegels) herausgestellt haben. Am Ende von Abschnitt 4 sagt Hansen, dass Rahmstorf einen Anstieg um 1 Meter schätzt, aber dass der Term des nichtlinearen Abschmelzen des Eises zu dem von Rahmstorf angenommenen Anstieg addiert werden sollte.
Unter dem BAU-Antrieb im 21, Jahrhundert wird der Meeresspiegelanstieg sicher von einem dritten Term dominiert werden: (3) die Auflösung der Eisschilde. Dieser Term war während der letzten paar Jahre klein, aber er hat sich im vergangenen Jahrzehnt zumindest verdoppelt und liegt momentan bei etwa 1 mm pro Jahr, basierend auf den oben diskutierten Satellitenmessungen. … Nehmen wir als ein quantitatives Beispiel an, dass der Beitrag der [schmelzenden] Eisschilde im Jahrzehnt von 2005 bis 2015 1 cm betrage und dass er sich mit jedem Jahrzehnt verdoppelt, bis der westantarktische Eisschild weitgehend verschwunden ist. Mit dieser Zeitkonstante ergibt sich ein Meeresspiegelanstieg in der Größenordnung von 5 m in diesem Jahrhundert.
Um also zu der letztendlichen Projektion von Hansen zu kommen, müssen wir uns anschauen, was Rahmstorf in seiner Studie A Semi-Empirical Approach to Projecting Future Sea-Level Rise an die Wand malt. Darin finden wir diese Graphik des projizierten Meeresspiegelanstiegs:
Abbildung 3: Die Rahmstorf’sche Schätzung des Meeresspiegelanstiegs, von der Hansen sagt, dass man einen exponentiell zunehmenden Eisterm addieren sollte.
ORIGINAL-BILDUNTERSCHRIFT: Der Meeresspiegel in der Vergangenheit und projiziert in die Zukunft von 1990 bis 2100, basierend auf den Projektionen der globalen Mitteltemperatur des dritten IPCC-Zustandsberichtes. Die graue Spannbreite der Unsicherheit umfasst die Bandbreite der Temperaturänderung von 1,4°C bis 5,8°C und wurde mit der statistischen Ausgleichskurve in Abbildung 2 kombiniert. Die gestrichelten grauen Linien zeigen die zusätzliche Unsicherheit aufgrund der statistischen Fehler der Anpassung in Abbildung 2. Bunte gestrichelte Linien repräsentieren die individuellen Szenarien in (1). {Referenz 1 ist die 3. IPCC-Klimabibel, ohne eine Seitenangabe}; die hellblaue Linie folgt dem A1FI-Szenario und die gelbe Linie dem B1-Szenario.
(Nebenbei möchte ich dagegen protestieren, dass lediglich der gesamte Dritte Zustandsbericht des IPCC genannt wird, Tausende von Seiten, ohne Angabe von Kapitel und Seitenzahl. Mein Hochschullehrer hätte mir dafür was auf die Finger gegeben; es ist ein Witz.)
Die obere blaue Linie ist diejenige, die uns etwa einen Meter Anstieg des Meeresspiegels zeigt. Also habe ich sie als Rahmstorfs 1-Meter-Prognose angesehen. Dazu habe ich Hansens Aussage zufolge, dass wir das tun sollten, einen Anstieg addiert, der bei 0,5 cm im Jahr 2000 beginnt und sich alle zehn Jahre verdoppelt. Dies entspricht Hansens Behauptung, dass das nichtlineare Verschwinden des Eises ein Extraterm ist, der klein anfängt, dann aber im Laufe des Jahrhunderts „den Meeresspiegelanstieg dominieren“ wird. Dieses Ergebnis zeigt Abbildung 4.
Abbildung 4: Rahmstorfs vorhergesagter Anstieg (blau), Hansens projizierter zusätzlicher Anstieg aus dem „nichtlinearen Verschwinden des Eises“ (dunkelrot) und der Gesamtanstieg (grün), vorhergesagt von Hansen 2011. Ich habe noch den Anstieg des vorigen Jahrhunderts um 16 cm hinzugefügt, wie er von Rahmstorf in der unteren rechten Ecke zu Vergleichszwecken berechnet worden ist. BILDQUELLE
OK, was Hansen also vorhersagt, repräsentiert die grüne Linie. Allerdings ist seine tatsächliche Vorhersage in Wirklichkeit viel schlimmer. Noch einmal Hansen, Hervorhebung durch mich:
Der mögliche Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der erwarteten globalen Erwärmung unter den genannten Treibhausgasszenarien beträgt mehrere zehn Meter, wie zu Beginn dieses Abschnitts dargelegt.
Ich gehe davon aus, dass mit „mehreren zehn“ mehr als zwei gemeint sind, so dass er eine Vorhersage von 30 Metern Meeresspiegelanstieg!!! macht … Ich glaube, dass er davon ausging, dass niemand aufmerksam werden würde, als Al Gore uns mit seiner Bedrohung durch einen Anstieg um 20 Meter gekommen war. Also hat er alle Register gezogen und wirklich Angst eingejagt hat, die uns in unseren Grundfesten erschüttern soll.
Es gibt jedoch ein paar gute Nachrichten. Sowohl Rahmstorfs als auch Hansens Vorhersage liegen schon jetzt weit jenseits der Realität. Seit 1993, als Satelliten damit begonnen haben, den Meeresspiegel zu vermessen, gab es einen Anstieg von 4,6 cm (1993 bis 2011). Rahmstorfs Projektion geht in diesem Zeitraum von einem Anstieg um 6,4 cm aus, schon jetzt 40% zu hoch. Hansens Projektion eines noch stärkeren Anstiegs geht von 7,2 cm in diesem Zeitraum aus, was um 55% zu hoch ist.
Der jährliche Anstieg ist auch unterhaltsam. Den Satelliten zufolge lag der Trend von 1993 bis 2011 bei 3,2 mm pro Jahr und ist in jüngster Zeit zurückgegangen. Die Änderung 2009-2010 lag unter 1 mm bei 0,9 mm pro Jahr. Und 2010-2011 wies er gar keine Steigung mehr auf.
Rahmstorf projizierte für 2010-2011 schon jetzt einen Anstieg um 4,5 mm pro Jahr, etwa 50% größer als die tatsächliche Rate während der letzten 18 Jahre. Und Hansens Projektion des jährlichen Anstiegs ist sogar noch schlechter, beträgt er doch 5,3 mm pro Jahr.
Sowohl hinsichtlich des Anstiegs 1993-2011 als auch des gegenwärtigen jährlichen Anstiegs liegen sowohl Rahmstorf als auch Hansen weit jenseits der Beobachtungen. Aber Moment, da ist noch mehr.
Hansens Rate des Meeresspiegelanstiegs soll sich beschleunigen, ebenso wie die von Rahmstorf. Hansen sagt, dass die Rate bis 2020 auf 6,3 mm pro Jahr steigen und sich danach immer weiter erhöhen wird. Aber tatsächlich liegen wir schon jetzt weit hinter diesen angenommenen Anstiegsraten zurück, und die beobachtete Anstiegsrate nimmt ab…
Wie kommt Hansen zu diesen unsinnigen Zahlen? Nun, er hat in den Beobachtungen etwas bemerkt.
Dieser dritte Term (schmelzendes Eis) war bis zu den letzten paar Jahren klein, aber er hat sich während des letzten Jahrzehnts mindestens verdoppelt…
Meine Hochschullehrerin Mrs. Henniger, Gott segne sie, hat die Verlängerung eines linearen Trends in die Zukunft als ein Verbrechen gegen die Natur angesehen, und ich würde zögern, ihre Meinung kund zu tun, wenn Hansen unbekümmert eine Zunahme um etwa 7% für 100 Jahre in die Zukunft ausweitet. Diese Art Zinseszinsrechnung verwandelt einen Zentimeter in 5 Meter. Falls Dr. Hansen ihr diesen Unsinn eingereicht hätte, würde man das Ganze bei der Rückgabe wegen der zahlreichen, mit dem Rotstift vorgenommenen Verbesserungen gar nicht mehr lesen können.
Das könnt ihr nicht machen, Leute! Ihr könnt nicht aus der Beobachtung, dass sich irgendetwas während der letzten Dekade verdoppelt hat, schließen, dass dieses Wachstum exponentiell ein ganzes Jahrhundert lang weitergeht. Das ist nicht mehr Wunschdenken. Das ist magisches Denken.
Zwei letzte Punkte. Erstens, die Erbse unter den Walnussschalen. Man schaue sorgfältig, was Hansen getan hat. Er hat behauptet, dass der Meeresspiegel „um mehrere zehn Meter” steigen werde. Dies sind mindestens dreißig Meter Anstieg.
Er scheint diese Behauptung zumindest ansatzweise mit seiner Abbildung 7 (meiner Abbildung 2) zu stützen. Aber schaut man auf die Beschriftung, ist das keine Vorhersage, keine Projektion oder Szenario irgendeiner Art. Stattdessen ist es lediglich eine „Approximation“, wie ein linearer Anstieg des Meeresspiegels aussehen könnte und wie ein exponentieller Anstieg aussehen könnte. Falls Sie nicht verstanden haben, was „linear“ und „exponentiell“ ist – seine tatsächliche Vorhersage liegt unter einer Walnussschale irgendwo anders. Wir wissen, dass seine „Approximation“ keine reale Projektion sein kann, weil sich gegenwärtig oder für einige Jahre fast kein Anstieg zeigt.
Zweitens, nicht einmal das beginnt die Fehler, die Täuschungen, den Alarmismus und die Betrügereien in Hansens Arbeit zu entwirren. Erkennen Sie den Herrn mit dunkler Weste und weißen Hosen auf der linken Seite von Hieronymus‘ Gemälde [oben rechts]? Sehen Sie, was er in der Hand hält, während er mit Unschuldsmiene an den Himmel schaut? Sehen Sie, wo es lang geht? Hansen ist nicht der Hütchenspieler, das ist lediglich ein Hampelmann, der verdient nicht viel Geld mit seinem Spielchen.
Hansen ist der Bursche in der dunklen Weste mit seiner Hand an Ihrer Taschenbörse…
Aktualisierung
Joel Shore hat richtig beobachtet, dass Hansens Schätzung eines gewaltigen Anstiegs des Meeresspiegels auf paläoklimatischen Daten basiert. Er hat recht, wenn er sagt, dass Hansen behauptet, paläoklimatische Daten zeigten einen Anstieg von 20 Metern für jeden 1°C-Temperaturanstieg. Deswegen sagt Hansen, dass ein Anstieg von 2°C in Zukunft einen Anstieg des Meeresspiegels um 40 Metern bringen würde.
Schauen wir mal in Ruhe auf das, was wir wissen. Wir wissen, dass sich während einer Eiszeit eine Masse Ozeanwasser schlecht verhält. Es verlagert sich auf das Festland in Gestalt von Schnee und Eis und Gletschern, hauptsächlich auf der Nordhalbkugel. In der Folge fällt der Meeresspiegel um hundert Meter oder so. Die Gletscher bleiben bis zum Ende der Eiszeit. Dann schmelzen sie, und der Meeresspiegel steigt wieder. Da wir uns derzeit in einer Zwischeneiszeit befinden, sind die meisten Gletscher geschmolzen.
Daher würde ich mit Sicherheit nicht erwarten, dass eine weitere Erwärmung großen Einfluss auf weiteres Abschmelzen oder den Meeresspiegel hat. Das einfache Eis ist komplett geschmolzen, die riesigen Kilometer dicken Gletscher der Nordhemisphäre sind fast alle zurück in den Ozean geflossen. Der Rest versteckt sich hauptsächlich an Nordhängen der nördlichen Klimazonen. Also woher soll das Schmelzwasser kommen?
Und komischerweise, was ich durch Joels Frage herausgefunden habe: wenn man weiß, wo man schauen muss, kann man sehen, dass die Graphiken in Hansens eigener Studie mich stützen. Sie sagen, dass der Ozean nicht steigen wird. Ich glaube Hansens Ergebnissen nicht, aber unter der Vermutung, dass sie korrekt sind, um der Diskussion willen, wollen wir uns mal diese Graphiken ansehen.
Betrachten wir zunächst den Meeresspiegel während der vergangenen vier Perioden von Zwischeneiszeiten. Ich habe ein Lineal eingefügt, um klar zu machen, was ich meine.
Wie man an der detaillierten Auflösung seines Graphen sieht, lag der Meeresspiegel nie höher als heute.
Betrachten wir jetzt ihre Temperaturbeobachtungen und die Rekosntruktion:
Hansen zufolge lagen die Temperaturen bis zu 2,5°C über den heutigen Werten … aber der Meeresspiegel war nie höher als heute.
Falls Hansens Behauptung wahr wäre, dass ein Temperaturanstieg um 1°C zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 20 Meter führen würde, müssten aus Hansens Graphik hervorgehen, dass der Meeresspiegel 40 Meter oder mehr über dem heutigen Niveau liegt (b). Man schaue auf die Skala links (b); das wäre außerhalb des Kartenausschnitts.
Stattdessen sehen wir nichts dergleichen. Wir erkennen viel wärmere Perioden in der Vergangenheit, aber die Höhe des Meeresspiegels unterscheidet sich nicht vom heutigen Niveau. Hansens eigene Graphiken zeigen, dass er unrecht hat. Es sieht also so aus, als ob Hansen das Gleiche macht, er extrapoliert einen linearen Trend über alle Grenzen hinaus.
Er hatte bemerkt, dass am Ende der Eiszeit die steigenden Temperaturen zu einem Abschmelzen der riesigen Gletscher bei Chicago geführt haben, was in einem raschen Anstieg des Meeresspiegels resultiert hatte. Unglücklicherweise hat er diesen Trend immer weiter ausgedehnt, bis weit jenseits der Zeit, wo es gar keine Gletscher bei Chicago mehr gab, die noch schmelzen könnten.
Willis Eschenbach
Link: http://wattsupwiththat.com/2012/01/29/hansens-sea-shell-game/#more-55615
Übersetzt von Chris Frey