Investitionsrisiko Solarstrom

Investitionsrisiko Solarstrom

Ausgaben und Risiken die in keinem Werbeprospekt erscheinen.
Sie meinen mit PV-Anlagen kann man risikolos Geld verdienen? Na klar! Ein ganzer Wirtschaftszweig, inklusive Politik und Medien verteidigen hartnäckig dieses Gerücht. Sind die Module erst einmal auf dem Dach montiert, geht’s mit dem Geldverdienen so richtig los. Risiken? Die sind doch wegen der Zwangsvergütung nahezu ausgeschlossen, und die rechtlichen Randbedingungen kann man wohl vernachlässigen. Zudem sind die Anlagen nahezu wartungsfrei. Ergo: Eine Option zum Gelddrucken?
Begründete Zweifel sind angebracht! Zur Berechnung der EA-Bilanz empfehle ich mal das kostenlose Excel-Tool der Stiftung Warentest. Bei der Finanzierung der PV-Anlage mit Eigenkapital ist kaum mehr als ein Inflationsausgleich möglich. Deshalb finanzieren die Banken so etwas auch nur bei entsprechender Bonität des „Investors“ plus Hypothekeneintrag auf das Eigenheim.
Es geht aber auch noch schlimmer! Unvorhersehbare Zusatzausgaben und Risiken finden sich in keiner Renditeberechnung. Der Mensch lässt sich seine Ideale schon mal etwas kosten. Aber bei möglichem zusätzlichen Ärger mit dem Netzbetreiber und dessen Abrechnungsmodi geht der Idealismus dann doch gewaltig in den Keller. Besonders dann, wenn es eventuell sogar mit einem Gerichtsverfahren ungewissen Ausgangs verbunden ist.
Folgende Auflistung von möglichen Problemen ist sicherlich nicht vollständig und sollte Sie nicht von Ihrem „Investitionsvorhaben“ abschrecken: Anschlussverzögerungen, Reparatur- oder Wartungsstillstand, verzögerte oder unvollständige Abrechnungen des Netzbetreibers, falsch berechnete Ertragswerte, fehlerbehaftete Montage – alles Nebensächlichkeiten, die ein Unternehmer üblicherweise in seine Berechnungen mit einfließen lässt.

Renditekiller Nr.1: Die Planung

Neben der technischen Machbarkeit muss zuerst die baurechtliche Seite geklärt werden. Man kann nicht einfach am Bauamt vorbei sein Dach mit PV-Modulen bepflastern. Zu den anfallenden Verwaltungskosten (Baugenehmigung, Statik) kommt möglicherweise noch die Auflage eines bestimmten prozentualen Anteils an rechnerischem Eigenverbrauch.
Anmeldung beim Netzbetreiber: Zur Bestimmung des Netzanschlusspunktes muss der geplante und genehmigte Standort, sowie die Peak-Leistung der Anlage angemeldet werden. Der Netzbetreiber prüft die Unterlagen und bestätigt, wo und wann die Solaranlage angeschlossen werden kann. Leider vergisst er dabei oftmals nicht, eine charmante Bearbeitungsgebühr zu kassieren. Laut §5 EEG 2009 ist natürlich auch der Netzanschluss selbst nicht kostenlos und besitzt auch noch eine unkalkulierbare Komponente, wenn das Kabel durch ein fremdes Grundstück verlegt werden muss.
Der Netzanschluss am festgelegten Verknüpfungspunkt geht nach §13 EEG 2009 zu Lasten des Stromproduzenten, sprich zu Ihren Lasten! Und da gibt es schon den nächsten Knackpunkt. Der Anschluss muss am nächstgelegenen, geeigneten Punkt der Spannungsebene durchgeführt werden. Und den bestimmt ….. na wer wohl? Der Netzbetreiber!
Ebenfalls in § 13 EEG 2009 steht, dass der Anlagenbetreiber die notwendigen Kosten für eine Messeinrichtung tragen muss. Also was braucht man da? Einen Zähler, wenn Sie Ihre gesamte Produktion ins Netz einspeisen? Oder zwei getrennte Zähleinrichtungen zwecks Abrechnung des Eigenverbrauchs? Dann noch die Entscheidung, ob mieten oder kaufen. Hoppla… ganz vergessen, der Zählerschrank. Entspricht er den aktuellen DIN-Vorschriften und vor allen Dingen, passt da überhaupt noch etwasZusätzliches rein?
Und schon gibt es eine neue Überraschung, die EEG-Novelle 2012 vom 28.Juli 2011. Sie ermächtigt den Netzbetreiber einen Messtellenbetreiber zu fordern. Was ist denn das? Also §7 „Für Messtellenbetrieb und Messung gelten die Vorschriften der §§ 21b bis 21h des Energiewirtschaftsgesetzes und der auf Grund von § 21i des Energiewirtschaftsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen.“ Dies bedeutet, dass der Messtellenbetreiber die Messdaten so übermitteln muss, wie dies der Netzbetreiber einheitlich für sein Netzgebiet bezüglich technischer und qualitativer Mindestanforderungen ausweist. Eigene, kostengünstige Zähleinrichtungen sind also passé.

Renditekiller Nr.2: Die Installation und "gleich danach"

Das Thema der Kaufentscheidung über Leistungsberechnung, Angebote und Finanzierung wurde ja im Vorfeld bereits ordentlich abgearbeitet. Ob man sich für billig, oder eher preiswert entschieden hat, stellt sich eh erst später heraus. Das Zeuch muss jetzt nur noch installiert werden, dann geht’s auch endlich los mit dem Geldverdienen! An dieser Stelle könnte der Fachmann erstmals feststellen, in welche Kategorie Ihre Kaufentscheidung einzuordnen ist. Preis „pur“ oder Preis „plus Qualität“. Wobei die Installateursleistung noch den geringsten Kostenanteil darstellt. Und nicht zu vergessen: Gute Handwerksleistung gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn die Leistung dann auch noch unter Termindruck (irgendeines Stichtages wegen) erbracht werden muss, sollte man sich über ein mehr oder weniger maues Ergebnis nicht wundern.  
Ist die brandschutztechnische Absicherung von Solarstromanlagen jetzt bundeseinheitliche Vorschrift?
Falls in Ihrem Bundesland noch nicht, gibt’s den Kostennachschlag etwas später.
Der Netzanschluss wurde ja im vorherigen Abschnitt bereits behandelt und sollte keine weiteren Kosten verursachen. Oder etwa doch? Haben Sie Ihre Nachbarin nicht davon überzeugen können, dass Sie mit Ihrem Strom die Welt retten wollen und deshalb ein Kabel mitten durch ihren Gemüsegarten verlegt werden muss? Gegen einen entsprechenden Obolus wird sie natürlich 1 Jahr auf die Erträge ihrer Mini-Landwirtschaft verzichten und Ihre hehren Ziele freudig unterstützen.
Ferngesteuerte Abschalteinrichtungen mit ununterbrochener Datenübermittlung der Ist-Einspeisung ist zwar erst ab 2012 und für Anlagen über 30 kW (peak) Pflicht, könnte aber durchaus später auch für kleinere Anlagen angeordnet werden. Dann wird’s heiter. Denn diese Zusatzkosten werden ebenfalls dem Anlagenbetreiber aufgebürdet.
Derzeit gilt noch: Kleine Solaranlagen bis 30 kW (peak), die ab 1.1.2012 in Betrieb gesetzt werden, müssen die maximale Wirkleistungseinspeisung am Verknüpfungspunkt auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzen. Gottseidank wirkt sich diese Regel in unseren Breiten eher selten aus, und die Einnahmeverluste werden wohl selten die 10%-Marke erreichen
Ein Schmankerl ist auch der neue § 12 EEG 2012. Der Anlagenbetreiber muss nur einmal im Jahr darüber informiert werden, ob eine Anlage abgeschaltet werden musste, wenn die Abschaltzeit weniger als 15 Stunden betrug. Wohl dem, der die Anlage mit Eigenmitteln finanziert hat. Dem knapst die kleine Zwangspause nur den letzten Rest der spärlichen Rendite weg.

Renditekiller Nr.3: Die Ernte kann eingefahren werden

Alle bisherigen Hürden wurden erfolgreich (?) überwunden, und Sie können nun vielleicht auf einen kleinen Gewinn hoffen? Na hoffentlich bleibt‘s nicht nur beim Hoffen! Eine Solarstromanlage beschert nur dann Einnahmen, wenn die Sonne ausreichend scheint. Ich weiss, das ist eine Binsenweisheit. Aber bei Kreditfinanzierung wird die Bank auf derlei Natürlichkeit keine Rücksicht nehmen. Also merke: Es gibt ertragreiche und ertragsärmere Jahre!
Und was, wenn sich der Netzbetreiber bei den Vergütungszahlungen ungebührlich viel Zeit lässt? Und möglicherweise Abrechnungsgebühren fordert / einbehält? Der Rechtsstreit wäre in diesem Fall wohl vorprogrammiert, und ohne ausreichendes Kapitalpolster sitzt man schnell in der Schuldenfalle. Kann Ihnen aber nicht passieren, weil Sie Ihr gutes Klimagewissen aus der Portokasse bezahlen. Leider fehlte bisher im EEG der eindeutige Hinweis, dass Abschlagszahlungen verpflichtend zu leisten sind. Erst in der Novelle 2012 findet man nun in § 16  den Hinweis, dass Abschläge zu zahlen sind. Ob mit dieser Verpflichtung jedoch Gebühren verknüpft werden dürfen? Darüber schweigt das Gesetz. Im Streitfall geht wohl nichts ohne einen versierten Rechtsanwalt. In meiner Rechtsschutzversicherung ist diesbezüglich nichts vorgesehen. Und in Ihrer?
Ob die Einnahmen aus Ihrem Stromgeschäft steuerlich irrelevant sind, entscheidet einzig und allein das Finanzamt. Sie werden nicht um eine saubere Buchführung über Einnahmen und Ausgaben herumkommen. Ausserdem ist dieses Thema so komplex und teilweise widersprüchlich, dass auch ein Steuerberater seine liebe Mühe haben wird. Siehe hierzu auch § 33 EEG 2009 „Eigenverbrauch und dessen nachträgliche steuerliche Bearbeitung“.
Zur Problematik, wenn’s mal am falschen Ende funkt, oder nicht mehr richtig zieht: Bei Totalausfall innerhalb der ersten 2 Jahre macht man üblicherweise Gewährleistungsansprüche geltend. Danach wird’s etwas schwieriger. Meist bleiben einem die Reparaturkosten an der Backe kleben. Den durchaus möglichen schleichenden Tod der Anlage frühzeitig festzustellen, ist annähernd unmöglich – ausser man kann seine Ertragswerte mit denen eines lieben Nachbarn vergleichen. Hoffentlich verbessert der die Welt mit einer vergleichbaren Anlage. Hat man saubere Soll-Leistungswerte, kann man einen eventuellen Leistungsausfall während der Reparaturarbeiten versichern. Setzt allerdings einen lückenlosen Wartungsplan voraus. Rechtsanwälte empfehlen, vor Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung (2 Jahre) eine umfassende Überprüfung der Anlage durch einen Solarsachverständigen. Nur so könne man ausschließen, dass Installationsfehler und Defekte unentdeckt bleiben. So ein Sachverständiger kostet allerdings auch eine Stange Geld.
Apropos Wartung: Bei der regelmäßigen Wartung sollte das Reinigen der Module nicht vergessen werden. Hartnäckiger Schmutz wird vom Regen eher nicht ausreichend weggespült. Für Wartungs- und Reparaturarbeiten inklusive Austausch von Verschleißteilen (z.B. Wechselrichter) sollten Rücklagen gebildet werden. Ein guter Installateur wird Ihnen auch einen seriösen Betrag nennen. Ich denke da so an mindestens 1,5% der Investitionssumme pro Jahr. Allein der Tausch eines  Wechselrichters schlägt schon mit mehr als 1000 Euro zu Buche.

Renditekiller Nr. 4: Risiken und Nebenwirkungen

So eine PV-Anlage birgt natürlich auch nicht unerhebliche Risiken. Deshalb dürfen die erforderlichen Versicherungen in der Kostenabteilung nicht fehlen. Also da wären die:

Sachschäden

Elementarschäden, Diebstahl, Vandalismus usw. an der PV-Anlage kann man relativ einfach versichern. Der mögliche Schaden ist kalkulierbar, weil er höchstens den Wert der Anlage ausmacht. Anders sieht es bei Folgeschäden am eigenen Gebäude aus (z.B. Dacheindeckung und Unterbau). Hier ist eine Rücksprache  (schriftliche Bestätigung) mit der Gebäudeversicherung unumgänglich.

Haftungsschäden

Laut Gesetz muss der Besitz gefahrenfrei und verkehrssicher sein. Ist er es nicht, haften Eigentümer von Wohnungen, Häusern und Grundstücken, wenn jemand zu Schaden kommt, unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt oder nicht. Solaranlagen die ausschließlich für den Eigenverbrauch produzieren, können in die Privat-Haftpflicht-Versicherung aufgenommen werden. Vorausgesetzt die Anlage befindet sich auf eigenem Grund. Wer seinen Strom ins Netz einspeist, betreibt ein Gewerbe und benötigt deshalb eine Betreiber-Haftpflicht-Versicherung. Dies gilt sowohl für den Betrieb einer Anlage auf dem eigenen Grundstück und Gebäude als auch auf fremden Grundstücken und Gebäuden.

Ertragsausfall (freiwillig)

Wird die PV-Anlage wegen eines versicherten Schadenfalles vorübergehend stillgelegt, kann der durchschnittlich für die Jahreszeit übliche Ertragsausfall versichert werden. Die Versicherung zahlt nicht für Systemausfälle durch mangelhafte Wartung.

Was passiert in einem Hausbrandfall?

Zur Frage der Brandfallabschaltung (BFA): Einige Hersteller von PV-Anlagen bieten DC-Schalter für die Umrichterheiten an. Nachrüstsätze für ältere Anlage sollen ebenfalls bereits im Handel sein. Allerdings ist man von einer einheitlichen Lösung noch weit entfernt.
a) Viele Bauämter (nicht alle) fordern für Neuanlagen eine Notabschaltung (Kosten 3-5% des Anlagenpreises)
b) Eine allgemeine Vorschrift auch für alte Anlagen wird es wohl nach den ersten Versicherungsstreitereien geben.
c) Irgendwann folgt dann natürlich auch eine Norm mit Umrüstzwang.
Also bisher hat es offensichtlich noch keinen versicherungstechnischen Fall gegeben. Zumindest ist noch keiner in der Öffentlichkeit breitgetreten worden.

Renditekiller Nr.5: Nach der Ernte die Entsorgung der Altanlage

Derzeit gibt es in Deutschland 69 zertifizierte Sammelstellen (PV-CYCLE), die defekte Module und komplette Altanlagen kostenfrei entgegennehmen. Dies betrifft alle Altanlagen, die vor dem 01.01.2010 installiert wurden. Anlagen die danach installiert wurden, werden nur von Herstellern / Vertreibern entgegengenommen, die dem freiwilligen Sammelpool PV-CYCLE angehören.
SOLARWORLD und SOLAR-FABRIK AG sind Anfang Juli 2011 aus diesem Sammelpool ausgestiegen. Die Kosten für Demontage und Transport gehen prinzipiell zu Lasten des Anlagenbetreibers. Diese Kosten kann man sich allerdings sparen, wenn man vorher noch schnell das Haus verkauft.

Fazit

Wenn’s nicht die Rendite ist, kann’s eigentlich nur Idealismus sein.

PS:

1. Kreditfinanzierung = monatliche Kosten
Ein günstiges KfW-Darlehen mit maximal 10 Jahren Zinsfestschreibung wird bei guter Bonität und diversen weiteren Beleihungskriterien zwischen 3,8% und 4,6% gewährt. Wie die Zinsbelastung danach aussieht, kann heute beim besten Willen keiner voraussagen. Nicht zu vergessen die Tilgungsleistung, da die Anlage nach 20 Jahren bezahlt sein muss.
2. Warum haben SOLARWORLD und SOLAR-FABRIK den Sammelpool verlassen? Ich erlaube mir zu raten: Die wollen mit den Cadmiumverseuchten… äh… –beschichteten Lasten aus dem fernen Osten nix zu tun haben.
Markus Estermeier
Im Nov. 2011