Der lange Weg zur grünen Sklaverei
Lassen Sie uns die Größenordnung der Merkel’schen Entscheidung klar machen! Die bewusste Verbannung der größten Quelle kosteneffizienter, verlässlicher und sauberer Energie in der größten Volkswirtschaft Europas ist nichts weniger als atemberaubend. Erst 2008 hat Merkel erklärt, dass der damals vorgeschlagene allmähliche Atomausstieg ‚absolut falsch’ war. Wie wurde sie nun in die Ecke bugsiert, um eine solche ökonomische und die Umwelt betreffende regressive Entscheidung zu treffen?
Die Antwort ist natürlich nicht eine Damaszener Konversion zu erneuerbarer Energie, sondern sie liegt in der modernen politischen Dynamik, die es kleinen Parteien erlaubt, einen unverhältnismäßigen Einfluss auf nationale politische Schlüsselmaßnahmen auszuüben. Merkel weiß sehr wohl, dass die Kernenergie das billigste Mittel zur Erzeugung verlässlicher, sauberer Energie ist, aber sie versteht auch, dass ihre Partei grüne Stimmen braucht, um an der Macht zu bleiben. Ihre Kapitulation vor der Kernenergie ist ein gefährlicher Schritt auf der Straße zur grünen Sklaverei.
Die der ausgesprochenen Irrationalität der Partei Die Grünen geschuldete Opferung reichlich vorhandener Energie mit niedrigen Kosten sollte eine Warnung sein. Ein Industrieunfall in Japan – am Kernkraftwerk Fukushima – ohne direkte Opfer resultiert nun in höheren Energiekosten für die deutsche Industrie und für die Verbraucher, die die zusätzlichen Ausgaben nur schwer verkraften. Der Versuch, dass durch die Verbannung der Kernenergie entstandene Loch zu stopfen, erfordert die Bepflasterung weiter Teile der Landschaft in Deutschland mit ressourcenhungrigen Windfarmen und, ironischerweise, einer ganzen Reihe neuer Kohlekraftwerke. Nur in der verdrehten Welt zeitweiligen grünen Mainstream-Denkens kann dies als ein Erfolg gesehen werden.
Umweltspezialisten wie Mark Lynas haben erst vor Kurzem entdeckt, dass grüne Politik wenig offen sein kann und oftmals voller Desinformationen steckt. Nach seinen eigenen Tatsachenfeststellungen haben sich Lynas und Andere schockiert darüber geäußert, dass schon lange erhobene Behauptungen der Grünen zur Kernenergie tatsächlich nachweislich falsch sind. In die gleiche Richtung geht der Umweltaktivist Stewart Brand, der sich Dinge wie die Genmanipulation (GM) in der Landwirtschaft genauer angesehen hat, um die Ernteerträge zu verbessern. Durch die gewaltsame Zerstörung von Versuchsfeldern haben Mainstream-Grüne die öffentlich geförderte Forschung hierzu gestoppt, die patentfreie GM-Technologie den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt hätte. In diesem Falle sind die grünen Sklaven ultimativ die Armen, noch mehr als die Deutschen Stromverbraucher.
Diese Umwelterleuchteten deuten auf eine weitergehende Erkenntnis hin, dass grün sein nicht unbedingt bedeutet, für die Umwelt zu sein, wie man in Deutschland sieht, oder die Armen dieser Welt aus einer für die Ernährung ausreichenden Landwirtschaft herausholt. Es scheint, dass Lynas und Andere erkannt haben, dass reiner Umweltaktivismus nicht ein größeres Publikum erreicht, und dass technische Innovation wohl der einzige und effektivste Weg ist, menschliche Bedürfnisse von der Umwelt abzukoppeln. Und wenn man das macht, können sowohl die Menschen als auch die natürliche Umwelt davon profitieren.
Diese Abkoppelung kann man in den sogenannten ökologischen Kuznet-Kurven erkennen, die der russisch-amerikanische Ökonom Simon Kuznets für Ungleichheiten bei der Entwicklung erdacht hat. Der Gedanke hinter diesen Kurven ist, dass Gesellschaften, die sich industrialisieren, auch verschmutzen. Aber dann, wenn der Wohlstand zunimmt, können sie es sich leisten, in die Entwicklung und Anwendung effizienterer und saubererer Energie zu investieren. Obwohl dies noch kontrovers ist, gibt es empirische Beweise, dass eine Anzahl dieser Verschmutzer diesem Trend folgen. Zum Beispiel folgen Daten zur Luftverschmutzung, hauptsächlich durch Auspuffgase von Fahrzeugen, einem umgekehrten U, wenn das nationale BIP pro Kopf zunimmt. Ineffiziente, technisch auf niedrigem Niveau liegende Transportmöglichkeiten werden letztendlich durch Fahrzeuge mit viel saubereren und treibstoffeffizienteren Motoren ersetzt.
Nun kann man sagen, dass die gegenwärtige Zunahme der globalen Kohlenstoffemissionen ein Zeichen dafür ist, dass wir die Spitze dieser speziellen Kuznet-Kurve noch erreichen müssen. Die Spitze zu erreichen und danach auf der anderen Seite wieder abzunehmen erfordert globalen Wohlstand, der in Energieinnovationen und Infrastruktur investiert werden kann. Gegenwärtig können wir uns die Entwicklung effizienter Technologien zur Erzeugung sauberer Energie im großen Maßstab schlicht nicht leisten, und daher verbrennen die meisten Länder eher Kohle, als Uran oder Thorium zu spalten. Das Anhalten oder gar Zurückfahren des Wachstums würde uns daran hindern, den Punkt zu erreichen, an dem wir von diesen neuen Technologien profitieren können.
Wachstum kann sowohl sozial als auch die Umwelt betreffend progressiv sein, weil es von Produktivität getrieben wird – mit weniger mehr machen. In manchen Bereichen hat dies zu einer effektiven Dematerialisation ökonomischer Aktivitäten geführt. Beispiel: während die entwickelten Länder mit endlosen Meilen Kupferdraht Kommunikations-Infrastrukturen gebildet haben, sind viele Entwicklungsländer gleich auf drahtlose Netzwerke zur Kommunikation gesprungen, wobei sie zugleich den Materialverbrauch reduziert, die Bandbreite verbessert und Kosten reduziert haben – ein Prozess, den der US-Wissenschaftler Buckminster Fuller ‚Ephemeralisation’ [?] nennt.
Im Gegensatz zu den erreichten Exzessen von Wachstum bieten viele Grüne ein Null-Wachstum an. Sie drücken es aus als eine markante Vision einer nachhaltigen Zukunft, in der die Sonne immer scheint und sich Windräder immer drehen. Für einige hat dieser Gleichgewichtszustand einen starken Anreiz, der kräftig nachhallt. Zum Beispiel, während die Wiederbelebung ökonomischer Aktivität durch Projekte wie Übergangsstädte (Transition Towns) als ein Schritt rückwärts auf der Straße hin zu einer agrarischen Lebensweise verworfen wird, glauben manche Leute, dass dadurch eine mächtige Vision einer gerechten und zufriedenen Zukunft geboten wird. Aber wie viele Aspekte grünen Denkens ist es hinsichtlich der Umwelt rückwärts gewandt, mit geringen Erträgen kleinräumiger organischer Landwirtschaft, die immer mehr naturnahe Landschaften und nicht zuletzt auch menschliche Arbeitskräfte verbraucht, die produktiver anderswo eingesetzt werden könnten.
Im Gegensatz zu dieser grünen Version einer nachhaltigen Zukunft verweisen Wachstumsoptimisten auf die Vergangenheit als Beweis für die Notwendigkeit fortgesetzten Wachstums; sie sprechen kaum einmal über die Zukunft. Starke Verbesserungen der Lebenserwartung und des Wissens seit der industriellen Revolution werden als grobe Proxies für Fortschritte bei Gesundheit und Bildung angeführt. Sie implizieren damit, dass die Fortsetzung dieser historischen Trends und deren Ausweitung auf Entwicklungsländer allein ausreichend sind, zukünftiges Wachstum zu rechtfertigen.
Aber Optimisten müssen eine schlüssige Vision einer besseren Zukunft anbieten und nicht nur auf die Vergangenheit als Indikator für Zukunftstrends verweisen. Sie müssen auch direkt einige der Beschränkungen zukünftigen Wachstums benennen. Der US-Ökonom Tyler Cowen führt aus, dass signifikante Zunahmen an Produktivität in der Vergangenheit das Ergebnis von, wie er es nannte, tief hängenden Früchten waren. Jetzt werden wir mit einer hi-tech ‚großen Stagnation‘ allein gelassen, in der das Produktivitätswachstum sich verlangsamt hat und das mittlere Einkommen gleich geblieben oder sich sogar verringert hat. Angry Birds auf dem iPhone sind, obwohl spaßig, keine Innovation, die vergleichbar sind mit Entwicklungen wie elektrisches Licht oder die Möglichkeiten der Kühlung. Beide haben die industrielle Produktivität verbessert und einen großen Einfluss auf den Lebensstandard.
Um reales Wachstum in den entwickelten Ländern wieder zu beleben, bedarf es einer signifikanten Steigerung der Produktivität, sowohl bei der Produktion als auch bei den Dienstleistungen. Dies erfordert erneuerte Investitionen in die Basiswissenschaft, mehr Risikobereitschaft und Experimentieren. Man muss die Ressourcen in die Produktion stecken und nicht nur den Verbrauch stimulieren. Zum Beispiel, das Investment der jetzigen UK-Regierung richtet sich direkt an die angewandte Forschung, welche existierendes Wissen in neue Produkte und Dienstleistungen überführen kann. Das ist gut und schön, aber es wird getan auf Kosten der Basiswissenschaft und nicht zusätzlich zu dieser Basiswissenschaft. Künftige Innovationen, die Auswirkungen ähnlich denen der Einführung des elektrischen Lichtes zeitigen, werden von glücklichen Zufallsentdeckungen kommen, einem Prozess, der weder beeinflusst noch vorhergesagt werden kann. Es ist viel besser als eine ‚große Stagnation‘, wenn man ernsthaft in Grundlagenforschung, ein steigendes Bildungsniveau und neue organisatorische Strukturen investiert, die einen Schritt zur langfristigen Änderung der Produktivität leisten können, also in eine künftige ‚große Beschleunigung‘.
Wenn die Auffassung von Wachstum und einer grünen Zukunft in den Städten eine mögliche Version der Zukunft ist, wird eine sich davon radikal unterscheidende Auffassung von dem Industriephysiker Cesare Marchetti angeboten. 1979 schrieb er in einer ironischen Niederschrift über die Misantrophie des Club of Rome einen Aufsatz mit dem Titel „Zehn vor 12: Ein Check der Kapazität der Erde für die Menschen“ (hier). Darin listet er detailliert eine Zukunft von 1000 Milliarden Seelen auf, die in gewaltigen Städten leben und weite Teile der Erde in einem unberührten Zustand belassen. Marchetti vertritt erneut die wachstumsoptimistische Ansicht, dass Ressourcen eine Funktion der menschlichen Innovationskraft sind und nicht irgendetwas von der Natur diktiertes Absolutes.
Vor noch kürzerer Zeit haben Technopropheten eine berauschende Mischung von immer und überall verfügbaren Robotern der nächsten Generation präsentiert, um die Menschen von Angst und Fron zu befreien, die für eine erhebliche Verlängerung des Lebens sorgen und sogar Transhumanismus als ein Programm anbieten, nicht nur die Produktionsmittel zu verändern, sondern klar machen, was es bedeutet Mensch zu sein. Andere, wie der Milliardär und Gründer von PayPal, Elon Musk, befinden sich auf einer Mission, eine wirkliche Wirtschaft im Weltall zum Laufen zu bringen und die unberührten Ressourcen des Sonnensystems zu erschließen. Durch solches künftige technische Können kann die Menschheit zum Retter des Planeten werden und nicht zu deren Zerstörer. Wie der Physiker Freeman Dyson anmerkt, denkende Menschen haben die inhärente Pflicht, die ‚Natur zu rekonstruieren‘, so dass ‚sowohl die Menschen als auch die Biosphäre überleben und wachsen‘.
Mit der Sicht auf eine Zukunft des Wachstums müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass die industrielle Revolution eine Flucht aus Millenien einer malthusianischen [?] Stagnation, aus Aberglaube und Brutalität war, die den Weg der menschlichen Geschichte zum Besseren gewendet hat. Trotz all ihrer Fehler war der daraus resultierende Impuls wirtschaftlichen Wachstums nichts weniger als ein spektakulärer Erfolg. Aber wir müssen auch eine klare Vision einer Zukunft anbieten, die überzeugender ist als die grüne Nachhaltigkeit des Mainstreams, und die eine erneuerte Richtung des Weges durch die Geschichte bietet
Die größte Gefahr für die Zukunft liegt nicht in der von den Deutschen Grünen gefürchteten Kernenergie, beim Klimawandel oder anderen Kalamitäten, die das unheilvolle Bild grüner Eschatologie [?] prägen. Sondern es ist die Paralyse der Tatenlosigkeit zur Vermeidung von Risiken, gekoppelt mit einem größeren technischen Pessimismus, der uns einer kohärenten Vision einer besseren Zukunft beraubt hat. Es ist eine Sache für Optimisten, für diese bessere Zukunft zu werben, aber es muss deutlich und verständlich ausgedrückt werden in einer populären und progressiven Art und Weise. Die Alternative wäre entweder eine langfristige ökonomische Stagnation oder der lange Weg zur grünen Sklaverei. Deutschlands Beschluss zur Kernenergie sollte ein Weckruf sein!
Colin McInnes
ist Professor für Ingenieurwissenschaft an der University of Strathclyde. Man besuche seine Website, Perpetual Motion.
Den Originalartike finden Sie hier
Übersetzt von Chris Frey für EIKE