Mein Name ist Ralf Sträter. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, zudem Elektroingenieur der Automatisierungstechnik und arbeite für einen großen Automobilzulieferer in Niedersachsen. Mein Wissen über Energieerzeugung im allgemeinen und Kernenergie in besonderem ist nur beschränkt, hauptberuflich beschäftige ich mich mit anderen Dingen. Dennoch raufe ich mir die Haare wegen der energiepolitischen Entscheidungen der vergangenen Wochen. Ich möchte einige dieser Gedanken hier ‚zu Papier / Bildschirm‘ bringen und diese zur Diskussion stellen:

Ist unsere Existenzgrundlage bedroht?

Verlässliche Zahlen fehlen mir – und meines Wissens nach jedem anderen auch. Unübersehbar ist aber, daß sich elektrische Energie massiv verteuern wird. Man spricht in absoluten Zahlen davon, daß Änderungen der Versorgungsinfrastruktur etwa 170 Mrd. Euro kosten werden. Das gesamte Steueraufkommen Deutschlands (Bund, Länder und Gemeinden) macht etwa 600 Mrd. Euro aus, 170 Mrd. sind etwas weniger als 30% dessen. Die von mir geschätzte FAZ spricht in einem Bericht über erwartete Strompreissteigerungen ‚zwischen 0,5 und 5 Cent / kWh‘, also für den Haushaltskunden also zwischen 2.5 und 25%. In der freien Wirtschaft wir jeder gefeuert, der eine Entscheidung trifft von der er sagt "wieviel es kostet weiß ich nicht". Ich persönlich halte selbst die 25% untertrieben, da alle Schätzungen die ich bislang las m.E. die zu installierende Leistungsreserve / die erforderliche Energiespeicherung entweder unter den Tisch fallen ließen oder sehr niedrig ansetzten. Die Speicherung von einer kWh Strom in Batterien kostet überschlägig 50 Cent, die in Pumpspeicherkraftwerken etwa 4 Cent.
Abgesehen von dieser Betrachtung werden die Augen davor verschlossen, wofür der in Deutschland benötigte Strom verbraucht wird, 75% des Stroms nämlich wird eben nicht dafür benötigt ‚essen zu kochen‘ und ‚abends den Fernseher anzuhaben‘, diese 75 % werden von industriellen Verbrauchern aufgezehrt. Eine etwas kurzsichtige Betrachtung ist es zu sagen ‚dann soll die Industrie halt bezahlen‘, vielmehr ist es so, daß wir alle bezahlen, da wir alle direkt oder indirekt von der Industriellen Produktion in Deutschland abhängen. Deutschland machte sich erhebliche Sorgen um Bankenkrisen, Bankenkrisen sind nichts gegen eine Krise der Industrie. Die meisten Arbeitsplätze Deutschlands sind von der Industrie abhängig und eine erhöhte Arbeitslosigkeit müßte teuer finanziert werden; selbst Banken sind von der Industrie stark abhängig, da diese Anlageninvestitionen vorfinanzierten; wenn auf diesen Anlagen nicht mehr produziert wird ist auch dieser Kredit weg.
Persönlich habe ich große Angst um den Industriestandort Deutschland, wir sägen an dem Ast auf dem wir alle sitzen.
Deutschland geht es so gut, da Deutschland einen massiven Außenhandelsüberschuss hat, durch die massive Verteuerung von Energie wird es den nicht mehr lange geben.

Wie gefährlich ist Kernenergie?

Die ‚Energiewende‘ wird damit begründet, daß Kernenergie gefährlich sei. Diese Erkenntnis wird damit begründet, daß man aus Fukoshima gelernt habe. Tschernobyl wird auch immer noch sehr gerne angeführt. Was passierte in Fukoshima; was in Tschernobyl vor 25 Jahren?
In Fukoshima gab es ein heftiges Erdbeben, mit anschließender Tsunamiwelle. Diese setzte die Notstromversorgung des Kraftwerks außer Gefecht, mit den bekannten Folgen, daß die erforderliche Kühlung des Kraftwerks ausgefallen ist und die Kernbrennstäbe überhitzten bis sie zum Teil schmolzen. Dadurch daß zum Teil über Ventile der hohe Druck im Sicherheitsbehälter
kontrolliert abgelassen wurde kam es zu Wasserstoffexplosionen innerhalb der unkritischen Außenhülle des Kraftwerks, das Kraftwerk Fukoshima verfügt augenscheinlich nicht über Wasserstoffrekombinatoren die soetwas verhindern. Zudem wurde sowohl beim Druckablassen als auch beim improvisiertem Notkühlen radioaktives Material freigesetzt. Etwa 10 Menschen kamen ums Leben, wohl keiner ‚durch Radioaktivität‘ aber ‚in Folge des Kraftwerksunglücks‘ bei Aufräumarbeiten, die naturgemäß gefährlich sind – vergleichbar der Arbeit eines Feuerwehrmanns beim Löschen. Der Großteil des Freigesetzten radioaktiven Materials verteilte sich im Pazifik und ist inzwischen auf den natürlichen Anteil radioaktiver Stoffe im Meerwasser herunterverdünnt, im Engeren Radius um das Kraftwerk werden einige langlebige Radioaktive Stoffe zu finden sein (diese sind allesamt sehr schwer und kommen in der gegebenen Situation nicht weit) kurzlebige radioaktive Stoffe wird es in einem größeren Radius verteilt haben.
Bei dem zweiten immer angeführten großem Kraftwerksunfall Tschernobyl wurde ein ohnehin bewußt heikel gebautes Kraftwerk (man wollte auf einfachem Wege Plutonium für Atombomben produzieren) außerhalb der zulässigen Spezifikationen betrieben. Bei der darauf folgenden Explosion und dem Brand von erheblichen Mengen Graphits wurde Radioaktives Material in große Höhen getragen und verteilte sich über weite Teile Europas. Die Sowjetunion begann mehrere Tage nach dem Unfall (den man zunächst komplett zu vertuschen versuchte) mit der Evakuierung der näheren Umgebung. Es ist strittig wieviele Menschen durch diesen Unfall starben, je nach Quelle zwischen 5.000 und 50.000. Um wie viele weniger es gewesen wären, wenn die Sowjetunion rechtzeitig evakuiert hätte kann man erst recht nicht sagen.
Wenn man diese beiden Ereignisse zusammenfaßt und bewust die höheren Opferzahlen zu Grunde legt kann man sagen "Durch die Nutzung der Kernenergie kamen bislang 50.000 Menschen ums Leben." Dies muß man in Relation setzen, zu dem
1.) was die Nutzung der Kernenergie bringt
2.) wieviele Todesopfer andere Techniken fordern
Ich führe Pkt. 1 anhand der Naturkatastrophe in Japan aus. Japan ist ein hochtechnisiertes Land, nicht zuletzt durch die Nutzung von Kernenergie. Das dicht besiedelte Land Japan wurde von einem starken Erdbeben und einem Tsunami heimgesucht, es kamen 25.000 Menschen ums Leben. In dem nicht so dicht besiedeltem Haiti kamen ein Jahr zuvor bei einem schwächerem Erdbeben ohne Tsunami 250.000 Menschen ums Leben. Die nun verhältnismäßig geringe Opferzahl des Erdbebens in Japan ist hauptsächlich der guten Infrastruktur die auf der Nutzung von Kernenergie beruht geschuldet, wäre Japan auf dritte Welt Status wären die Folgen des Bebens verehrender gewesen als die des Bebens in Haiti.
Unter Berücksichtigung der beobachteten 25 Jahres Frist könne wir zu Pkt. 2 sagen, daß Kernenergie maximal 2000 Todesopfer je Jahr forderte, der Straßenverkehr fordert je Jahr weltweit etwa 600.000 Tote.

Setzen wir Nutzen und Risiken in die richtigen Relationen?

Die meisten von uns setzen sich täglich ins Auto um zur Arbeit zu fahren und dann einer potentiell gefährlichen Arbeit nachzugehen. Dies wird unter bewußter Einschätzung der doch noch recht ungefährlichen Fahrt und der recht ungefährlichen Arbeit gemacht, um Geld zu verdienen und ein auskömmliches Leben zu haben. Hier nimmt man das Risiko in Kauf um im Gegenzug Vorteile zu haben. Mein aus den vorher aufgeführten Gedanken resultierender Appell an Medien und Politik ist doch bitte mit kühlem Kopf zu berichten und entscheiden. Panik und Aktionismus waren noch nie in der Geschichte nützlich und werden es auch in der Energiepolitik niemals sein.
Ralf Sträter 3. Juli 2011
    

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