Der Schöpfung verpflichtet? Die deutschen Bischöfe versuchen sich in Energiepolitik
Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat es sich in Deutschland eingebürgert, bei komplexen Problemen der Technologie- und Wirtschaftspolitik immer solche Gremien mit der Erstellung von Entscheidungshilfen zu betrauen, die die geringste Fachkompetenz aufweisen. Das begann mit dem vermeintlichen „Waldsterben“, für das nicht das Bundesforschungsministerium, sondern zunächst das Bundesinnenministerium und später das neu gegründete Bundesumweltministerium zuständig wurden. Dort gab es keine Experten für Waldbau und Forstwirtschaft. Ahnungslose Sachbearbeiter deuteten die Spätfolgen einiger trockener Sommer als Symptome einer tödlichen Baumkrankheit. So war dafür gesorgt, dass ganz Deutschland in Alarmstimmung geriet. Nach diesem bewährten Muster ging die Politik später auch beim ebenso erfundenen Problem eines katastrophalen Klimawandels vor. Nicht studierte Geologen und Klimatologen durften sich damit amtlich befassen, sondern neben Umwelt-Bürokraten und Diplomaten vornehmlich Physiker und Mathematiker sowie Computerspezialisten.
In der Energiepolitik ist Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einen Schritt weiter gegangen, indem sie ganz auf natur- und ingenieurwissenschaftlichen Sachverstand verzichtete und die argumentative Vorbereitung der Regierungsentscheidung über den Stopp der Kernenergienutzung in Deutschland einer „Ethikkommission“ auftrug. Gleich zwei Bischöfe fanden es nicht unter ihrer Würde, in dieser Kommission zur Rechtfertigung des wirtschaftlichen Selbstmordes Deutschlands eifrig mitzuarbeiten. Einer davon, der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, hat sich in letzter Zeit in besonderem Maße mit öffentlichen Erklärungen hervorgetan. Er konnte sich dabei der Rückendeckung der großen Mehrheit des deutschen Episkopats versichern. Denn am 16. Mai 2011 hat das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz unter dem Titel „Der Schöpfung verpflichtet“ einen schon vor dem Reaktorunglück von Fukushima in Auftrag gegebenen „Expertentext zu den ethischen Grundlagen einer nachhaltigen Energieversorgung“ vorgelegt. Reinhard Kardinal Marx, hat am 26. Mai in seiner Eigenschaft als Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ in der FAZ in einem ganzseitigen Artikel unter dem Titel „Energie – eine Frage der Gerechtigkeit“ die Kernthesen dieses Textes bekräftigt.
Danach stehen die deutschen Bischöfe voll hinter der von Bundeskanzlerin Angela Merkel proklamierten „Wende hin zu regenerativen Energien“.
„Der Ausstieg aus der Kernenergie sollte…auf jeden Fall unter der Prämisse einer gleichzeitigen Abkehr von den fossilen Energieträgern erfolgen“,
schreibt Kardinal Marx in der FAZ. Zwar habe die Kirche, wie auch Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Caritas in Veritate“ (2009) betonte, keine technischen Lösungen anzubieten, doch erarbeite die Katholische Soziallehre auf der Grundlage sachlicher Informationen ethische Kriterien für verantwortliche Entscheidungen, heißt es in dem Dokument.
„Die Energiepolitik der Zukunft muss geprägt sein von einer Reduzierung des Energieverbrauchs, einer Steigerung der Effizienz und dem Ausbau und der Suche nach alternativen nachhaltigen Energieformen“,
schreibt Marx in seinem Geleitwort zum Expertentext. Diese Forderung ergebe sich aus einer „christlichen Ethik der Nachhaltigkeit.“ Das irritiert mich sehr, denn als gläubiger Christ bin ich immer davon ausgegangen, dass unser aller Zukunft nicht in der Horizontalen, sondern in der Vertikalen, das heißt oben (oder unten) liegt.
„Das Klima ist ein öffentliches Gut“, behauptet der von einer 16-köpfigen Gruppe von „Experten“ formulierte Text. Kann ein statistisches Konstrukt, ein Abstraktum ein öffentliches Gut sein? Die bischöflichen Experten sollten uns zumindest sagen, von welchem Klima sie reden.
„Nachhaltigkeit ist das entscheidende Kriterium“, meinen sie. „Durch die Bereitstellung angemessener, regenerierbarer Energieressourcen ist der Verbrauch erschöpfbarer energetischer Ressourcen auszugleichen. Dieser Ausgleich ermöglicht, den kommenden Generationen vergleichbare Wohlstandschancen er eröffnen.“
Für wie viele Generationen soll diese Aussage gelten? Wie kommen die Experten überhaupt zur Unterscheidung zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen? Ich bin fest davon überzeugt, dass der Schöpfer diese Unterscheidung nicht getroffen hat. Denn sie ist in der Praxis schlicht unsinnig. Noch keine einzige für erschöpfbar erklärte Ressource wie Öl, Erdgas, Uran, Gold, Silber oder Phosphat ist uns bislang ausgegangen. Dafür gibt es etliche Beispiele so genannter erneuerbarer Ressourcen (z.B. Tier- und Pflanzenarten), die von Menschen vollständig aufgebraucht beziehungsweise ausgerottet wurden. Und ausgerechnet die am besten erneuerbare Energieressource, nämlich Plutonium, wird bekanntlich von den Propheten der „Nachhaltigkeit“ verteufelt.
Was treibt die deutschen Bischöfe, sich für den „Einsatz der Wasserstofftechnologie“, die „Entwicklung der Elektromobilität“ und eine Verteuerung von Flugreisen stark zu machen? Ich kriege schon Muskelkater vom Kopfschütteln. Die bischöflichen Experten machen sich sogar Gedanken über die „mangelnde Grundlastfähigkeit erneuerbarer Energien“ und den Aufbau eines „super smart grid“ zwischen Nordafrika und Europa und stellen im Hinblick auf Windflauten fest: „Zur Überbrückung tage- oder gar wochenlanger großräumig auftretender Hochdruckwetterlagen sind zumindest auf absehbare Zeit Kraftwerke als Back-up-Kapazitäten notwendig. (…) Hierzu eignen sich vor allem CO2-arme Gas- und Dampfkraftwerke.“ Ich erspare mir weitere Beispiele technischer Ratschläge.
Alle diese Empfehlungen aus der Feder von Kirchenleuten fußen auf der unkritischen Übernahme der IPCC-Position zum Klimawandel, die die Deutsche Bischofskonferenz im Jahre 2006 im Expertentext „Der Klimawandel. Brennpunkt globaler intergenerationeller und öklogischer Nachhaltigkeit“ dokumentiert hat. Damit haben sich die deutschen Bischöfe nicht nur der unfrohen Botschaft von einer drohenden „Klimakatastrophe“, sondern auch dem Glauben an die Steuerbarkeit von Wetter und Klima angeschlossen – was einer Blasphemie gleichkommt. Es wäre wohl besser, die deutschen Bischöfe verpflichteten sich zuförderst gegenüber dem Schöpfer und weniger gegenüber dem mit oder ohne menschliches Zutun Geschaffenen.
Warum enthalten die Zehn Gebote der Bibel keine Aussage über die Beschaffenheit der Außenwelt? Dem liberalen Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek war die Antwort auf diese Frage noch geläufig. Aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe kennt sie vermutlich nicht mehr. Wird der deutsche Katholizismus somit definitiv zu einer Gemeinschaft Kirchensteuer zahlender Heiden, die die Sozial- und die Angstindustrie auf Hochtouren halten? Ich irre mich wohl nicht mit der Vermutung: Hätte sich die katholische Kirche als de facto „nachhaltigste“ gesellschaftliche Organisation schon vor hundert Jahren mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigt, dann gäbe es sie heute nicht mehr.
Edgar L. Gärtner (EIKE)