Atomausstieg beschlossen! Dreizehn Energiewende-Märchen Teil III

Nr. 9: Das Windstrom-Märchen: "Der Windpark XY kann Z-tausend Haushalte versorgen."

Eine derartige Behauptung ist ein fester Bestandteil jeder Pressemitteilung über die Einweihung eines Windparks.

Tatsächlich kann auch der größte Windpark keinen einzigen Haushalt sicher und zuverlässig mit Strom versorgen. Das liegt am bekanntlich unvorhersehbaren und extrem schwankenden Windangebot, was regelmäßig dazu führt, daß bei den sowohl im Sommer als auch im Winter beliebten windstillen Hochdrucklagen alle Windmühlen viele Stunden und oft Tage still stehen. Das würde Stromsperren bedeuten und wäre für die Industrie tödlich.

Aus diesem Grunde konnte bisher trotz des enormen und durch Milliarden an von Stromkunden bezahlten Zwangsabgaben (EEG-Gesetz) subventionierten Ausbaus der Windkraft bis 2010 auf 21.607 Anlagen mit 27.200 MW "installierter Leistung" (die Leistung, die die Windmühlen maximal erzeugen würden, wenn sie alle ihre maximal verkraftbare Windstärke erhalten würden) kein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzt, also abgeschaltet werden.

Im Gegenteil: Es müssen zusätzliche Gaskraftwerke gebaut werden, die die extremen Schwankungen des Windstroms durch schnelles Herauf- und Herunterfahren ausgleichen müssen, damit das Stromnetz nicht zusammen bricht.

Der einzige verbleibende Vorteil der Windkraft ist eine Brennstoffeinsparung der vorübergehend herunter gefahrenen Kraftwerke. Ihr enormer Nachteil ist die nun doppelt vorhandene teure Stromerzeugungs-Kapazität , die den Strompreis nach oben treibt.

Zusätzliche Stromspeicher, die das Netz stabilisieren könnten, gibt es nicht und wird es auch in 20 Jahren nicht geben (siehe das Märchen von den neuen Stromspeichern und das Elektroauto-Märchen).

Nr. 10: Das Geothermie-Märchen

Mit heißem Wasser aus der Tiefe Strom in Deutschland erzeugen zu wollen, erfüllt im Grunde den Straftatbestand des groben Unfugs – in Verbindung mit der Verschwendung von Steuergeldern, sofern die zur Zeit laufenden Projekte öffentlich gefördert werden.

Es ist der hoffnungslose Versuch, die Gesetze der Physik zu betrügen: Bei einer Temperaturdifferenz von etwa 80 Grad zwischen dem etwa 100 Grad heißen Wasser aus dem Bohrloch und der Kühlseite des daran angeschlossenen Niederdruck-Dampfkraftwerks ist der Umwandlungs-Wirkungsgrad von Wärmeenergie in elektrische Energie dermaßen klein, daß die allenfalls optisch eindrucksvollen Versuchskraftwerke – die tatsächlich gebaut worden sind – nur minimal Strom erzeugen können. Aus diesem Grund wird in den Beschreibungen dieser Projekte stets jegliche Angabe des elektrischen Wirkungsgrades sowie der anteiligen Anlagenkosten pro erreichtem Kilowatt an erzeugter elektrischer Leistung peinlichst vermieden.

Die Leistungsbilanz sowohl der 4 errichteten und der 5 geplanten Geothermiekraftwerke ist insgesamt: 7,4 Megawatt.

Ein einziges Kohlekraftwerk erzeugt jedoch 900 bis 1.400 MW; ein Kernkraftwerk 1200 bis 1.400 MW.

Sinnvoll wäre allein die Nutzung der Geothermiewärme zu Heizzwecken über Fernwärme – sofern sich ein Neubaugebiet in der Nähe der Anlage befindet.

Aus dem soeben bekannt gewordenen EEG-Erfahrungsbericht des BMU, der zugleich die künftige Planung bekannt gibt, geht hervor, daß "die Förderung der Geothermie stark ausgebaut werden soll". Damit sind höchstwahrscheinlich wieder "Kraftwerke" wie die oben genannten gemeint. Das Motto scheint zu sein: Je hoffnungsloser und sinnloser die Vorhaben, desto stärker die Förderung.

Nr. 11: Das Märchen vom Technologiesprung

Es fällt auf, daß nur Politiker auf angeblich sicher kommende Technologiesprünge hinweisen, wenn sie die peinliche Tatsache von für die Energiewende fehlenden Techniken (z.B. effiziente, bezahlbare Stromspeicher) hinwegreden möchten.  Fachleute hüten sich vor solchen Äußerungen.

In Wahrheit verlaufen technische Entwicklungen ohne spektakuläre Sprünge langsam und gleichmäßig, was die langen Zeiträume zwischen erster Idee, Labor- oder Technikumsmuster, Prototypentwicklung, Konstruktion der ersten marktreifen Anlage und dann noch den schwierigen Prozeß der Marktdurchdringung erklärt.

Tatsächlich brauchen technische Entwicklungen – außerhalb der in dieser Hinsicht für schnelle Verbesserungen prinzipiell sehr  geeigneten Mikroelektronik – daher bis zu ihrer Markteinführung oft 30 Jahre, nicht selten auch 50 Jahre.

Einige Beispiele:

– die erste Anwendung der Wärmepumpe geschah in den 40er Jahren in der Schweiz;

– die ersten Elektroautos gab es schon vor über 100 Jahren;

– Silizium-Photovoltaik-Solarzellen wurden 1953 erstmals in den Bell Labs produziert;

– mit Brennstoffzellen als Treibstoff-Strom-Wandler bestückte Fahrzeuge gab es in

  Deutschland bereits um 1970;

– der Stirlingmotor, der jetzt als Mini-Kraft-Wärme-Einheit (Motor plus Stromgenerator)

  für Häuser angeboten wird, wurde 1816 von dem Geistlichen Robert Stirling erfunden.

  Er dient seit dem Jahre 1996 als Antrieb schwedischer U-Boote der Gotland-Klasse.

– Windmühlen als Stromerzeuger gibt es seit mindestens 80 Jahren.

Wer von kommenden Technologiesprüngen redet, zeigt damit nur, daß er keine Sachargumente hat, statt dessen aber meint, technologische Entwicklungen durch politische Sonntagsreden beschleunigen zu können.

Siehe hierzu:

o Das Märchen von der Sonne, die keine Rechnung schickt

o Das Märchen von den neuen Stromspeichern

o Das Elektroauto-Märchen

o Das Geothermie-Strom-Märchen.

Nr. 12: Das Märchen vom Segen der Dezentralisierung

Schon lange wird als ein Gegenmodell zur stets bösen Großtechnologie – gemeint sind vor allem normale Kraftwerke – die Vision von unzähligen kleinen Stromerzeugern in den Häusern als die ideale Stromversorgungs-Struktur für unser Land propagiert.  Die technische Lösung sieht immer gleich aus: Ein Gas- oder Dieselmotor treibt einen kleinen Stromgenerator an; die Abwärme kann in den Wintermonaten der Hausheizung zugeführt werden.

Wegen der vielen Erzeuger ist die Versorgungssicherheit in einem derart dezentralisierten Netz ähnlich hoch wie bei der Nutzung unseres Verbundnetzes, an dem ebenfalls viele Kraftwerke – allerdings zumeist Großkraftwerke – hängen.

Würde man in einem Land mit maroder Infrastruktur leben, dessen Stromversorgung durch ständige Blackouts gekennzeichnet ist, dann wäre ein solches dezentralisiertes System unverzichtbar. Im Grunde müßte jeder Betrieb und fast jedes Haus so eine eigene kleine Stromerzeugungsanlage besitzen, wie wir sie nur als Notstromversorgung in extrem stromabhängigen Nutzern kennen: Kliniken, Rechenzentren, Flugplätze, Telefonzentren, Polizei, Feuerwehr.

In einem solchen maroden Land leben wir aber glücklicherweise nicht. Deshalb sticht das Argument der Versorgungssicherheit eines dezentralen Systems nicht – und das ist dessen einziger positiver Aspekt.

Betrachtet man seine Nachteile,  dann kommt einiges zusammen:

• Ein durch viele Kleinerzeuger aufgebautes Stromversorgungsnetz benötigt zu 100 Prozent chemische Energieträger: Erdgas (auch veredeltes Biogas), Benzin oder Diesel (ebenfalls ggf. mit Biosprit-Anteilen). In der Realität wäre Erdgas mit Abstand der häufigste Brennstoff. Damit ist der Betrieb dieser Kleinanlagen von den Mineralöl- und Erdgaspreisen bestimmt – und zu mindestens 95% von Importen abhängig. Die Preise bestimmen dann der Öl-Spotmarkt und Gazprom.

• Durch dieses weit überwiegend mit fossilen Energieträgern betriebene System weitaus mehr CO2 erzeugt, als das System der CO2-freien Kernkraftwerke, der modernen Kohle- und Gaskraftwerke (GuD) mit ihren den Gas- und Dieselmotoren deutlich überlegenen höheren Wirkungsgraden, bedeutet das dezentrale Stromnetz einen wesentlich höheren CO2-Ausstoß, als es das Verbundnetz aufweist.

• Neben den hohen Brennstoffkosten spielen auch die erheblich höheren Investitionskosten bei den Kleinanlagen– gemessen in Euro pro erzeugter elektrischer Leistung in Euro / Kilowatt – eine Rolle.

Für den Ersatz eines 1000-MW-Kohlenkraftwerks wären ca. 330.000 Kleinanlagen á

3 KW erforderlich. Eine solche Kleinanlage kostet 8.000 – 22.000 Euro; das sind

3.700 – 7.500 Euro / KW.

(Mikro-BHKW-Vergleich, www.sanevo.de/ )

Zum Vergleich: Die Investitionskosten eines Kohlekraftwerks führen zu Kosten von

1.140 – 1.480 Euro / KW. 

Zusammengefaßt:

•  Gegenüber einem durch Kohlenkraftwerke versorgten Verbundnetz  wäre ein   durch Kleinanlagen  dominiertes Versorgungsnetz wesentlich teurer, wozu noch der Netzausbau im Mittelspannungs- und Niederspannungsnetz hinzu käme..

•  Die benötigten Import-Brennstoffe sind wesentlich teurer als heimische Braunkohle. oder Uran (Beispiel: anteilige Urankosten einer Kernkraft-Kilowattstunde 27% bei abgeschriebener Anlage,  8,1% bei KKW-Neubau; Erdgaskosten-Anteil bei GuD-Gaskraftwerken  74%).

•   Deshalb würde der Strom im dezentralen Netz deutlich mehr kosten.

•     Der CO2-Ausstoß würde sich deutlich erhöhen.

•    Die dezentrale Stromerzeugung hätte gegenüber dem jetzigen System keinen Vorteil bezüglich der Versorgungssicherheit.

Das dezentrale Stromversorgungssystem besitzt also keinen Vorteil, hat aber mehrere erhebliche Nachteile.

Nr. 13: Das Jobwunder-Märchen: "Erneuerbare" Energien schaffen viele Arbeitsplätze"

Dieses Argument wird ständig gebracht, aber exakt das Gegenteil dieser  Behauptung stimmt: Jeder Arbeitsplatz, der durch Subventionen geschaffen wird, führt zur Vernichtung von mindestens  2,2  Arbeitsplätzen in der übrigen Wirtschaft.  Bei der besonders teuren Photovoltaik werden sogar doppelt so viele Arbeitsplätze pro geschaffenem subventionierten Öko-Arbeitsplatz vernichtet. 

Der Mechanismus dieses Zerstörungsvorgangs, der übrigens für alle Subventionen gilt, ist simpel: Subventionen für Unternehmen oder deren Produkte, die am freien Markt keine Chance hätten, entziehen den Bürgern und der Wirtschaft Geld, das diese ansonsten für Konsum, Investitionen, Dienstleistungen etc. ausgeben würden. Das vernichtet Arbeitsplätze in diesen Branchen.

Hinzu kommt, daß die so künstlich geschaffenen Arbeitsplätze in der "grünen Industrie" zum großen Teil nicht dauerhaft sind, da sie überwiegend nur für die Produktion von Anlagen eingesetzt werden, nach deren Verkauf die Arbeit beendet ist. Arbeitsplätze, die dauerhaft mit dem Betrieb, der Wartung und  Reparatur von Anlagen befaßt sind,  gibt es dort vergleichsweise wenig.

Diese Erkenntnisse sind in der internationalen Wirtschaftswissenschaft mehrfach bestätigt worden.

(s. Gabriel Calzada Alvarez et al, Universität Rey Carlos de Madrid, März 2009, Calzada Studie hier und hier und hier die Stagnaro Studie).

Deutsche Unternehmen exportieren erfolgreich Anlagen für Umweltschutz-Zwecke. Aber die Hoffnungen von den "Erneuerbaren" als Exportschlager für die Industrie sind längst geplatzt. 2006 fanden sich unter den zehn weltgrößten Windkraftanlagen-Herstellern noch vier deutsche. 2010 standen nur noch zwei Namen auf der Liste – wohl aber vier chinesische. Deutschland exportierte 2010 Solarstromanlagen für 138 Millionen Euro nach China; China exportierte im Gegenzug solche Anlagen im Wert von 5,9 Milliarden Euro nach Deutschland.

Nr. 14: Das Märchen vom Ökostrom

Viele Deutsche meinen es gut und geben Geld aus, um die Welt ein bißchen besser zu machen. Das ist natürlich anzuerkennen. Aber freigiebig locker gemachtes Geld lockt gewisse Leute an, die es gerne hätten, ohne die damit verbundenen Wünsche ernst zu nehmen. Schon länger fließt etliches Geld aus Deutschland über den Atlantik, um dort zum Beispiel eine Patenschaft für eine Fledermaus in Nicaragua, einen Ara in Brasilien oder ein paar Quadratmeter Regenwald in Costa Rica zu finanzieren. Manches davon mag seriös sein, aber seit längerem hat sich in Übersee für das treuherzige, unkritische Finanzieren  gut gemeinter Projekte der böse Begriff "Stupid German Money" (Deutsches Idiotengeld) eingebürgert.

Auch in Deutschland selbst kann man zum Beispiel durch seine Stromrechnung die Heimat angeblich etwas grüner machen, vorausgesetzt, man kauft bei einem der zahlreichen Anbieter "Ökostrom". Als Techniker ist man von diesen Vorgängen zunächst verwirrt, denn eins ist absolut klar: Aus der Steckdose eines jeden Kunden kommt überall der gleiche Strom, über dessen Quellen man sich erst am Jahresende ein Bild machen kann, wenn bilanziert wird, welche Erzeuger wieviel Strom eingespeist haben.

Für 2010 sah dieser Strommix folgendermaßen aus:

Kernenergie 22%, Erdgas 14%, Braunkohle 24%, Steinkohle 19%, Wind 6,2%, Wasserkraft 3,2%, Biomasse 5,6%, Photovoltaik 2%, Sonstige (Müll, Öl, Grubengas; Klärgas) 5%.

Die im EEG genannten "Regenerativen" (s.u.) haben also zusammen knapp 20%.

Wie sehen nun die Ökostrom-Angebote aus ?  Und was steckt tatsächlich dahinter ?

Variante A ist das Angebot, Wasserkraftstrom aus Deutschland zu liefern. Das bieten mehrere Stromversorger an. Einer dieser Anbieter schreibt: "In jedem Fall erhalten Sie ohne CO2-Emissionen produzierten Strom aus 100% Wasserkraft mit TÜV Nord-Zertifikat. Sie bestimmen, welcher Strom für Sie persönlich produziert wird. Aber nicht nur das: Sie sorgen dafür, daß der Anteil von Ökostrom im gesamten Netz immer größer wird."

Bewertung: Die beiden ersten Sätze sind irreführend und haben mit der Realität nichts zu tun. Der dritte Satz würde nur dann eine Winzigkeit Wahrheit enthalten, wenn sich dieser Anbieter verpflichtet hätte, seine Gewinne selbst in neue Anlagen der regenerativen Energieerzeugung zu investieren. (Siehe Variante D). Davon ist aber in seiner Werbung nicht die Rede.

Daß der Kunde den vom Anbieter gekauften Wasserkraftstrom komplett erhält, ist schon physikalisch unmöglich. Ebenfalls unmöglich ist aber sogar, daß durch diesen Kauf der gläubige Ökostromkunde oder auch irgendein anderer Stromkunde auch nur eine Winzigkeit mehr regenerativen Strom an seiner Steckdose ankommen sieht.

Das verhindert nämlich das Erneuerbare Energie-Gesetz (EEG). Es bestimmt, daß die öffentlichen Netzbetreiber verpflichtet sind, sämtliche von den im EEG genannten Erzeugern (Wasserkraftwerke; Biomassekraftwerke; Geothermiekraftwerke; Windkraftanlagen; Photovoltaikanlagen; Stromerzeuger mit Deponiegas, Klärgas und Grubengas) produzierten Strommengen vorrangig – und das heißt restlos – gegen die gesetzlich festgelegte Vergütung anzukaufen. Anschließend müssen sie diesen Strom an einer Strombörse vermarkten.

Das bedeutet: Sämtlicher in Deutschland erzeugter regenerativer Strom wird qua Gesetz den Produzenten abgekauft – nichts bleibt an ungenutzten Kapazitäten übrig, deren Strom man noch extra als Ökostrom ankaufen und weiterverkaufen könnte.

Ebenso unmöglich ist es, daß der Ökostromkunde "selbst bestimmt, welcher Strom für ihn persönlich produziert wird." Er bekommt wie alle anderen Verbraucher, die nichts extra bezahlen, z.Zt. knapp 20% Ökostrom – und kein bißchen mehr.

Variante B:  Wenn der Ökostrom nicht aus Wasserkraft, sondern angeblich aus anderen im EEG genannten regenerativen Quellen in Deutschland kommt, gilt das oben Gesagte genau so.

Variante C:   Ein Anbieter schreibt: "Es ist garantiert kein Atomstrom." Und: "Unser Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Norwegen wird aus Wasserkraft gewonnen. Aus 100% Wasserkraft."

Bewertung:  Abermals gilt das oben zu der Unmöglichkeit der Beeinflussung des Strommixes an der Steckdose des Ökostromkunden Gesagte. Selbstverständlich erhält auch dieser Kunde seine ca. 20% regenerativ erzeugten Strom – und Wasserkraft hat daran (s.o.) ihre 3,2%. Deutsche Wasserkraft, selbstverständlich.

Das EEG-Argument gilt in diesem Falle nicht, denn es wird ja in Norwegen Strom eingekauft. Das klingt zwar besser, ist es aber auch wieder nicht. Norwegen hat viel Wasserkraft, aber nicht genug davon. Das hat zwei Konsequenzen: Zum einen brauchen und verbrauchen die Norweger ihren Wasserkraftstrom selbst. Und weil das nicht reicht, importieren sie Strom aus Schweden – und zwar Kernkraftstrom.

Kaufen Ausländer wie der deutsche Ökostromanbieter den norwegischen Wasserkraftwerken Strom ab, fehlt dieser im dortigen Netz. Weil die Wasserkraftwerke wegen des deutschen Käufers auch nicht mehr als ohne ihn produzieren, ist der Umweltnutzen dieses Geschäfts Null.  Es muß nur mehr Kernkraftstrom in gleicher Menge importiert werden. Und weil man im norwegischen Netz genau wie im deutschen einen Strommix hat – in diesem Falle Wasserkraftstrom und schwedischen Kernkraftstrom – , ist auch in dem nach Deutschland gelieferten Ökostrom doch zusätzlicher Atomstrom dabei – der sich dann im deutschen Netz mit dem deutschen Atomstrom vereinigen würde, wenn das bei Strom überhaupt ginge. An der Steckdose des Kunden ist wieder "garantiert" 22% Atomstrom entnehmbar.

Ob der deutsche Ökostrom-Aufkäufer die Norweger zu einem weiteren Ausbau ihrer Wasserkraft veranlassen kann, ist eine gute Frage. Aber nur wenn genau das der Fall wäre, hätte es einen Einfluß auf den Strommix im norwegischen und deutschen Netz.

Variante D: Der Ökostromanbieter erklärt verbindlich, daß er seine Gewinne in neue Anlagen der regenerativen Energieerzeugung investieren wird. Dies finden die Umweltverbände gut, denen die anderen Varianten verständlicherweise wohl weniger überzeugend vorkommen.

Aber auch hierbei scheint der Umweltnutzen nur marginal zu sein: Es sind ja nicht die vom Kunden überwiesenen Ökostromkosten gemeint – der Löwenanteil davon geht an die vom EEG begünstigten Einspeiser, dann gibt es noch Verteilungskosten etc. – sondern nur die Gewinne, sofern sie anfallen. Außerdem befinden sich die Ökostromanbieter dann auf einem durch das EEG (d.h. durch die Zwangsabgaben der Verbraucher) recht lukrativ gewordenen Markt, in dem sich kapitalkräftige Investmentgesellschaften, EVU´s, Kommunen und andere Geldgeber tummeln.  Der Einfluß der Ökostromanbieter, hier noch Zusatzkapazitäten zu errichten, die man überhaupt quantitativ bemerkt, dürfte überschaubar sein.

Dennoch haben die Ökostromkunden in unserem Wirtschaftssystem eine Wirkung, wenn auch eine nicht von ihnen beabsichtigte:

Ihre Nachfrage nach regenerativ erzeugtem Strom bewirkt an den Strombörsen, an denen der Übertragungsnetzbetreiber seinen teuren EEG-Strom verkaufen muß, einen Preisanstieg. Den Netzbetreiber, der diesen Strom  ursprünglich bei den Wasserkraftwerken und den anderen EEG-begünstigten Erzeugern ankaufen mußte,  freut das, denn er zahlt beim Ökostrom immer kräftig zu, weil der Strompreis-Erlös an den Börsen viel niedriger liegt als der gesetzlich festgelegte Ankaufspreis. Jetzt bekommt er also etwas mehr Geld an der Börse und seine Verluste, die er auf alle Stromkunden umlegen darf, sinken etwas.

Das Ökostromgeschäft führt somit zwar nicht zu mehr Ökostrom, – weder bei der Erzeugung noch beim Verbraucher – entlastet aber RWE, E.ON & Co. finanziell. Solche Wege nimmt die Entwicklung, wenn gutgemeinte Fördermechanismen auf Marktwirklichkeit stoßen.

Eigentlich müßte nun gemäß der Marktlogik auch der Endverbraucher-Strompreis etwas sinken. Aber mächtige Kräfte wirken in die entgegengesetzte Richtung: Die Stillegung preisgünstiger Grundlast-Kernkraftwerke, der Ersatz ihrer Strommengen durch teureren Importstrom, die Errichtung teuer produzierender schneller Gaskraftwerke für den Ausgleich der Solar- und Windkraft-Schwankungen, der riesenhaft geplante Ausbau des Höchstspannungsnetzes, der weiter gehende gewollte Ausbau der „Erneuerbaren“, deren Strom  teuer angekauft und ins Netz eingespeist werden muß…

Wenn man es freundlich ausdrücken will, dann ist die deutsche Ökostrom-Liebe eine sympathische Liebhaberei. Diese Bezeichnung ist genau so gemeint, wie es die Finanzämter auch meinen, wenn sie das Tun der Steuerzahler einschätzen.

Schlußwort

Die deutsche Angstpolitik ist nun Wirklichkeit. Für eine Hoffnung auf eine Rückkehr zu einer realistischen Politik besteht für mehrere Jahre kein Anlaß. Erst nachdem massive Schäden eingetreten sind, die sich politisch auszuwirken beginnen, könnte es zu einer Rückbesinnung kommen, allerdings wohl nicht innerhalb der zur Zeit im Bundestag vertretenen Parteien. 

Daß sich ein führendes Industrieland ohne real existierende Probleme nur aus Angst selbst wirtschaftlich ruiniert, ist in der Geschichte einzigartig. 

Der Autor hat nicht die Hoffnung, mit seinen Zeilen noch irgend etwas an diesem Prozeß aufzuhalten; das wäre realitätsfern. Das mußte nur einfach aufgeschrieben werden, damit es jemand liest. Tatsächlich ist es  kein Artikel , sondern ein Nachruf.

Dr. Günter Keil Sankt Augustin, 16. Juni 2011

Die dreizehn und ein Energiewende-Märchen finden Sie als Datei im Anhang

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