Super-GAU

Update: Anmerkungen zum "Atom-Expertentum" von Rolf Sträter (ganz nach unten scrollen)

 …Sind wir wirklich nicht mehr in der Lage, den Blick auf das Wesentliche zu richten? Sind wir nicht mehr in der Lage, in Ruhe zu überlegen und dann rationale Entscheidungen zu treffen? Der gestrige Tag hat eine offensichtliche Antwort beschert: Nein! 
Das Tempo, mit dem die deutsche Bundesregierung die Atom-Kehrtwende vollzogen hat, verdeutlicht, dass wir eine Gesellschaft der Getriebenen geworden sind. Getrieben von der Meinung der vielen. Getrieben von den Medien. Getrieben von Umfragewerten und anstehenden Wahlen. 
Angela Merkel hat sich gestern dort eingereiht. Wenn sich die Sicherheitslage bei den deutschen Atomkraftwerken innerhalb von 72 Stunden tatsächlich derart verändert haben sollte, wie es die Bundeskanzlerin und ihre Regierung gestern glauben machen wollten, dann gäbe es nur eine Schlussfolgerung: abschalten – und zwar sofort. Merkel hat sich zur Getriebenen machen lassen. Vor allem von der Personalie Stefan Mappus, der um seine Wiederwahl als Ministerpräsident in Baden-Württemberg fürchtet. 
Erreicht hat Merkel damit eins: Die Verunsicherung in der deutschen Bevölkerung ist noch größer geworden. Sind die deutschen Atomkraftwerke nun sicher oder nicht? Eine klare Antwort auf diese Frage gab es von der Kanzlerin gestern Abend nicht. Laut ARD-Deutschlandtrend glaubt inzwischen der Großteil der Deutschen, dass bei uns ein ähnliches Atom-Drama möglich sei wie in Japan. Ohne Erdbeben. Ohne Tsunami. 
Die meisten Deutschen haben in den vergangenen Tagen den Blick für das Wesentliche verloren. Den Blick auf die tapferen Menschen in Japan, die im Angesicht der atomaren Gefahr damit beginnen, ihre Existenzen wieder aufzubauen. 
Den Blick für die Trauernden, die Suchenden und die Gestorbenen. Statt über Atomkraftwerke in Deutschland zu zetern, sollten wir beten – dafür, dass den Japanern der Super-GAU erspart bleibt. 
Daniel Freimuth
Dieser Artikel erschien am 18.3.2011 im Hanauer Anzeiger. Wir halten ihn für sehr bemerkenswert, so dass wir ihn in voller Länge bringen. Mit Dank an Leser Dr. Stehlik EIKE.
Sie können ihn auch als pdf herunterladen.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag von Ralf Sträter am 13.3.11 im Blog Ökowatch

 

In Japan hat die Erde gebebt, anschließend verwüstete eine riesige Welle die Pazifikküste des Landes. Viele Menschen starben, noch mehr Menschen verloren ihre Wohnungen. Mir tun die Menschen leid, die jetzt mit dem Wiederaufbau ihrer Existenz beschäftigt sind, die frieren und Hunger haben wegen der zusammengebrochenen Infrastruktur ihrer hochentwickelten Heimat. Jedoch gibt es – für die deutschen Medien – scheinbar Wichtigeres. Denn durch die Naturkatastrophe wurden zwei Kernkraftwerksblöcke beschädigt, japanische Fachleute sind aktuell dabei, Schlimmes zu verhindern. Augenscheinlich haben die deutschen Medien nichts besseres zu tun, als "Atom-Experten" zu befragen.

Was ist ein "Atom-Experte"? "Atom-Experten" arbeiten z.B. am Darmstädter "Öko-Institut", wahlweise auch bei Greenpeace, nicht unbedingt erforderlich scheint zu sein, sich mit Kraftwerken und deren Physik auseinandergesetzt zu haben. Als ich gestern den Fernseher anschaltete, strahlte mir auf N24 Atom-Experte Michael Sailer entgegen, Chemieingenieur vom Darmstädter Öko-Institut und Atom-Experte aus Leidenschaft. Im Interview ergab sich – aus dem Gedächtnis wiedergegeben – folgendes:

Journalist: Im Kraftwerkskontrollraum wurde eine um das eintausendfache erhöhte Strahlenbelastung festgestellt, ist es noch verantwortlich, da Leute zu lassen?

Experte: Es ist wohl der Zwang, um Schlimmeres zu verhindern, eintausendfach ist schon viel, aber nicht tödlich.

Ein wahrer "Atom-Experte" weiß selbstverständlich, daß eintausendfach viel ist, mehr zumindest als einhundertfach. Die Zahl in irgendwelche Relationen zu setzen, um dem Publikum, das eben nicht "Atom-Experte" ist, eine Einordnung zu ermöglichen, wurde versäumt, vermutlich weil man sich als "Atom-Experte" in dem ganzen Einheitenbrei nicht so auskennt und da viel wichtiger ist, daß eintausenfach ’schon ne Menge aber nicht tödlich‘ ist. Ich versuche das jetzt mal mit den Zahlen und versuche ohne "Atom-Experte" zu sein, die Zahlen in eine Relation zu bringen.

Im Normalbetrieb wird man im Kraftwerkskontrollraum etwa einer Strahlenbelastung von 0,23µSv/h ausgesetzt – außerhalb des Kontrollraums, wenn man in der kernkraftwerksfreien Landschaft spazieren geht, auch. Eintausendfach heißt für mich, daß die Strahlung im Kraftwerkskontrollraum 0,23mSv&h oder auf eine 8 Stunden Schicht bezogen 1,83 mSv beträgt. Dies alles sagt erstmal nicht so viel. Welcher Strahlenbelastung ist jemand ausgesetzt, bei dem ein Bänderriß vermutet wird und bei dem daher eine Computertomographie durchgeführt wird? Es sind etwa 20mSv. Die Kraftwerksmitarbeiter würden sich, wenn sie sich 88 Stunden oder 11 Schichten der ‚gefährlichen aber nicht tödlichen‘ Strahlendosis im Leitstand aussetzen, die gleiche Dosis abbekommen die eine ’nützliche heilsbringende‘ Computertomographie so hergibt.

Erstaunlicherweise sagt kein "Atom-Experte" Dinge, die irgendwas Konkretes hergeben können. Mich würde interessieren, wann der Spuk vorüber ist. Die Kraftwerke haben ja aktuell das nicht unerhebliche Problem, die Nachzerfallswärme abzuführen. Die Kraftwerke sind abgeschaltet, eine Kettenreaktion findet nicht mehr statt. Obwohl die "Atom-Experten" von ARD und ZDF durch Hervorkramen der alten Tschernobyl-Dokumentationen etwas anderes sugerieren wollen, ist im übrigen das ganze Szenario ein anderes, denn in Tschernobyl trat beim Abschalten ein schrecklicher Konstruktionsfehler zu Tage, der für kurze Zeit eine unkontrollierte Kettenreaktion zur Folge hatte. Mit der Nachzerfallswärme ist es etwas anderes. Sie ist erstmal viel weniger, aber noch besser, man kann sie, wenn man einige Daten des Kraftwerks kennt, recht einfach durch die von Way und Wigner aufgestellte Näherungsformel abschätzen. Auch die Wärmeleitfähigkeit des Containments kennt man, selbstverständlich ebenso den Schmelzpunkt der Brennstäbe und – wichtiger noch – den des Containments. "Atom-Experten" selbstverständlich rechnen nicht. In keiner Publikation konnte man etwas dazu lesen, wann es denn vorüber ist.

Statt dessen sieht man sinnlose Vergleiche und ebenso einen russischen Atom-Experten von Greenpeace Russland, der inhaltsschwanger berichtet "Ich fühle mich stark an Tschernobyl erinnert" und es hierdurch schafft, mit nur einem Satz dem Faß den Boden auszuschlagen. Ich nicht, ich bin häufig in der Ukraine und habe dort Freunde, allerdings in einer anderen Region, die Ukraine ist groß. Mir wurde von meinen Freunden glaubhaft versichert, daß es nicht direkt Sondersendungen gab. Die Sowjetunion begann drei Tage nach dem Unfall zu evakuieren – da ließ sich der Mist nicht mehr unter den Teppich fegen – in Japan begann man noch, ehe es überhaupt zur Freisetzung von strahlendem Material kam. Das fällt einem Greenpeace-"Atom-Experten" natürlich genausowenig auf wie die komplett unterschiedlichen Unfallhergänge und die gravierenden konstruktiven Unterschiede der Reaktoren.

Abschließend muß ich nochmals hervorheben, wie sehr ich die japanische Bevölkerung für das Unglück durch die Naturkatastrophe bedauere. "Atom-Experten" machen das nicht, die wittern das politische Geschäft ihres Lebens.

Übernommen von Ökowatch mit Dank an Rolf Sträter

Lesen Sie auch hier den klaren Artikel von Vera Lengsfeld auf ACHGUT

Hier wird beschrieben wie die Tagessschau vom 17.3.11 ihre Zuschauer in die Irre führt.

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