„Erneuerbare“ Speicherprobleme gelöst? Ist der Ringwallspeicher eine neue intelligente Form der Stromspeicherung?
Was ist ein Ringwallspeicher?
Das ist nichts anderes, als es die heutigen Speicherkraftwerke mit Ober- und Unterbecken auch sind, wie sie im bergigen Gegenden zu finden sind. Das Neue daran ist, dass der Ringwallspeicher in der norddeutschen Tiefebene gebaut werden soll, das fehlende Bergland wird durch Menschenhand geschaffen, es wird ausgebaggert, und es wird der fehlende Berg durch einen künstlichen „Wall“ ersetzt. In der Mitte befindet sich ein rundes Oberbecken, umschlossen von dem „Wall“. Ein ringförmiges Unterbecken umgibt den „Wall“ des Oberbeckens. Der Bodenaushub des Unterbeckens dient zur Aufschüttung des Walles. Die Maße der Anlage sind:
Außendurchmesser der Gesamtanlage 11 km
Ring“wall“höhe 215 m
Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterbecken 200 m
Pegelschwankung im Oberbecken 50 m
Pegelschwankung im Unterbecken 20 m
Die Rechnung ergibt: Damit lässt sich in der Tat für rund 11 Tage eine Versorgung durch 2000 MW elektrischer Leistung sicher stellen, also die Stromlieferung von 2 kleineren Kernkraftwerken für rund 11 Tage ersetzen. Es pendelt eine Wassermenge von 1 Kubikkilometer zwischen Ober- und Unterbecken. Das Oberbecken hat insgesamt einen Inhalt von 4 Kubikkilometer Wasser.
Vergleiche
Um die Dimensionen des Projektes einordnen zu können, sind Vergleiche von Nutzen.
1) Der Ringwallspeicher kann eine elektrische Arbeit von 550 Mill. kWh speichern, das ist ca. das 14-fache der heutigen Speicherkapazität aller Pumpspeicheranlagen in Deutschland.
2) Der Flächenbedarf beträgt 110km², das ist mehr als der Chiemsee (82km²) und mehr als der Starnberger See (57km²). Es ist für das ringförmige Unterbecken ein Fläche etwa so groß wie der Starnberger See auszubaggern. Das Oberbecken hat enthält mit seinen 4 km³ Inhalt mehr Wasser als der Starnberger See (ca. 3km³ Wasser) oder Chiemsee (ca. 3,5km³ Wasser).
3) Wir machen einen Vergleich mit dem bisher weltgrößten Wasserbauprojekt, dem Drei-Schluchten-Projekt des Yangtse in China [2]:
|
Ringwallspeicher |
Drei-Schluchten-Staudamm |
Höher der Staumauer |
215 m |
185 m |
Höhenunterschied der Wasserspiegel |
215 m |
ca. 100m |
Länge der Mauer |
7000 m |
2335 m |
Breite der Mauer am Fuß |
??? |
115 m |
Breite der Mauer oben |
15 m |
40 m |
Bauzeit |
50 Jahre *) |
15 Jahre |
Art des Dammes |
geschütteter Aushub vom Unterbecken |
Schwerkraftdamm aus Beton |
Gründung des Dammes |
? Es gibt keinen Fels in Norddeutschland |
in Granit |
Erdaushub |
> 1 Milliarde m³ |
0,1 Milliarde m³ |
geflutete Fläche |
110 km² |
640 km² |
Umsiedlungen |
25 000 Personen **) |
840 000 Personen |
Gesamtkosten |
100 Mrd. EURO ***) |
90 Mrd. Yuan |
*) geschätzt aus dem Vergleich mit 3-Schluchten-Staudamm
**) berechnet aus der Fläche und mittlerer Bevölkerungsdichte in Deutschland
***) geschätzte Lohnkosten aus Vergleich mit 3-Schluchten-Staudamm (Bauzeit, Zahl der Arbeiter)
4) Zur Füllung der Anlage werden 4km³ Wasser benötigt, das ist die durchschnittliche Wasserführung des Rheines am Oberlauf von 4 Monaten. Der Rhein kann nicht umgeleitet werde, aber es könnte zur Füllung eine Pipeline von der Weser oder Elbe gebaut werden. Setzt man die Leistungsfähigkeit der neuen Erdöl-Pipeline von Baku nach Ceyhan am Mittelmeer (fertig gestellt in 2005) als Vergleichsmaßstab an, so könnte mit einer derartigen Pipeline (Röhre mit ca. einen Meter Durchmesser) der Ringwallspeicher in 80 Jahren mit Wasser gefüllt werden.
Was folgt daraus?
Herr Matthias Popp hat seiner Phantasie freien Lauf gelassen und einen Vorschlag gemacht, der in ein Märchenbuch gehört. Die Berechnung der gespeicherten Energie ist richtig, dann aber fangen die Illusionen an:
· Die erforderliche Staumauer wird verniedlichend als Wall bezeichnet.
· Eine skizzenhafte Darstellung der Anlage ganz in grüner Natur gibt den passenden ökologischen Anstrich, kein grauer Beton ist zu sehen.
· Weil wichtige technische Details wie Länge des „Walles“, aufzunehmender Wasserdruck und Menge des Erdaushubes nicht benannt werden, ist auch nicht erkenntlich, dass der Ringwallspeicher den Drei-Schluchten-Staudamm – das bisher größte Wasserbauprojekt der Erde – mehrfach übertreffen soll. Ein Wall aus Erdaushub kann niemals den Wasserdruck von 200 m Höhenunterschied aufnehmen, dazu ist keine Rechnung notwendig.
· Weitere Punkte, die das Projekt als Phantasieprodukt entlarven:
1) Die Gründung eines solchen Bauwerks bei Abwesenheit von Felsuntergrund ist nicht möglich.
2) Die Terrorgefahr, dazu zur Erinnerung: Der Staudamm vom Edersee wurde im Krieg (16.5./17.5.1943) bei einem Fliegerangriff zerstört, über 2000 Menschen starben durch die Flutwelle. Diese Gefahr ist beim Ringwallspeicher mit 20-fach größerer Wassermenge natürlich ebenfalls als 20-fach größer einzuschätzen.
3) Zeitdauer von ca. 1500 Jahren für den Bau der insgesamt 30 Anlagen dieser Art, damit die Vollversorgung Deutschlands mit „grünem“ Strom möglich wird.
3) Woher soll das erforderliche Wasser kommen?
4) Wie soll das alles bezahlt werden? Abschätzung zu den Kosten des Stroms: Bei 8% Zins und 20 Jahren Laufzeit folgt die Annuität von 10,2%, also 10 Mrd. EURO pro Jahr. Dieses verteilt auf 5 Mrd. kWh (10 Füllungen des Speichers im Jahr) ergibt Kapitalkosten von 2,- EURO pro gespeicherter kWh Strom, ohne Berücksichtigung von Betriebskosten.
Durch verschiedenste Seitenhiebe auf die Kernkraft wird der politische Hintergrund der Arbeit sichtbar, es fehlt auch nicht der Hinweis auf die „ungelöste Endlagerfrage“. Es wird die falsche Vermutung genährt, dass fossile und nukleare Quellen zur Stromversorgung entbehrlich sind. Es scheint unbekannt zu sein, dass in Deutschland alles rund um Radioaktivität und Strahlung aus politischen Gründen zu einem gefährlichen Moloch aufgeblasen wird [3].
Es ist bedauerlich, dass sich eine renommierte Zeitschrift wie „Bild der Wissenschaft“ dazu hergibt, einer Märchengeschichte solch breiten Raum einzuräumen.
Und es lässt zweifeln an der fachlichen Qualität deutscher Universitäten, wenn sie bereit sind, Fantasien mit der Verleihung der akademischen Würde eines Dr.-Ing. zu adeln.
Dr. Lutz Niemann für EIKE
Literaturhinweise
[1] www.poppware.de
[2] „Das grosse Drei-Schluchten-Projekt“, von Li jinlong, eine Dokumentation des Projektes in Buchform, 130 Seiten, 2005
[3] „Legenden vom bösen Atom“, DER SPIEGEL, 47/2007, S. 160 – 164