Die Lebensqualität der Ärmsten der Welt kann stärker, schneller, billiger und sicherer durch Anpassung voran getrieben werden als durch Technologien, die zu einem Null-CO2-Ausstoß führen.

Vor ein paar Tagen erschien bei Tom Nelson ein Link zu einem Blog mit einem Beitrag von Mr. Bill Gates mit dem Titel: „Leseempfehlung zum Klimawandel“ [Recommended Reading on Climate Change], in dem er behauptet, dass das Risiko einer „ernsten Erwärmung“ durch den anthropogen verursachten Klimawandel groß genug ist, um Aktionen [dagegen] zu rechtfertigen. Mr. Gates fügt hinzu:

„Ich stimme dem zu, besonders weil eine sogar nur moderate Erwärmung schon zu massiven Hungersnöten und anderen sehr negativen Effekten unter den ärmsten 2 Milliarden Menschen auf der Welt führen könnte. Dies ist einer der Gründe, warum ich ein immer größeres Interesse an neuen Energietechnologien habe, die uns zu einer Null–Emission von Kohlendioxid führen könnten. Wie ich schon bei TED [?] sagte, ist es mein Traum, derartige Technologien zu entwickeln, die billiger sind als Kohle oder Öl. Dann würden selbst Klimaskeptiker diese übernehmen, und viel mehr der ärmsten Menschen der Welt würden davon profitieren und zu einer besseren Lebensqualität finden, was nur durch eine sichere Energieversorgung möglich ist.“

Seit vielen Jahren war ich sehr beeindruckt von Mr. Gates’ Wunsch und seinen Bemühungen, die Lebensqualität der ärmsten Menschen der Welt zu verbessern,  und dass er buchstäblich sein Geld dorthin steckt, wo es gebraucht wird, aber seine Feststellung, dass „selbst eine moderate Erwärmung zu massiven Hungersnöten und anderen sehr negativen Effekten unter den ärmsten 2 Milliarden Menschen auf der Welt führen könnte“, ist fundamental falsch. Und es gibt viel bessere und effektivere Methoden, ihre Lebensqualität zu verbessern als Geld für die Entwicklung von Null–Emissionen von Kohlendioxid zu verschwenden.

Um diese Ansichten klar zu machen, wollte ich eine Antwort auf Mr. Gates’ Beitrag posten, was mir aber nicht gelang; weder auf direktem Weg noch durch das allgemeine Eingabeformular auf seiner Website. Also habe ich beschlossen, Mr. Gates einen offenen Brief zu schreiben, um ihn von meinen Gedanken in Kenntnis zu setzen. Ich danke Mr. Watts, dass er diesen Brief in seinem unschätzbaren Blog veröffentlicht hat. Der Brief lautet wie folgt:

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Sehr geehrter Herr Gates,

schon lange habe ich Ihren Scharfsinn bewundert, mit dem Sie versuchen, einige der wirklich wichtigen Probleme der Welt anzugehen (wie z. B. Malaria und Hunger) als sich den jüngsten Modethemen zu widmen (wie z. B. der globalen Erwärmung). Aber nach der Lektüre Ihres Beitrags „Leseempfehlung zum Klimawandel“ auf der Site

http://www.thegatesnotes.com/Learning/article.aspx?ID=127,

auf den Mitteilungen von Gates, fürchte ich, dass meine Bewunderung voreilig gewesen sein könnte.

Zunächst einmal ist die analytische Basis für Ihre Bemerkung „selbst eine moderate Erwärmung könnte zu massiven Hungersnöten und anderen sehr negativen Effekten unter den ärmsten 2 Milliarden Menschen auf der Welt führen“ schwach, um es milde auszudrücken. Nahezu alle Analysen über künftige Auswirkungen der globalen Erwärmung pfropfen das hypothetische Klima von morgen (oftmals für die Jahre 2100 und 2200) auf die Welt von gestern auf (am häufigsten mit der Basis im Jahre 1990). Das heißt, sie nehmen an, dass die Fähigkeit zukünftiger Generationen, mit der Klimaänderung zu leben oder sich daran anzupassen (auch bekannt als „Anpassungsfähigkeit“), sich von den Umständen in 1990 kaum verändern dürfte!

Im Besonderen versagen sie dabei, in Erwägung zu ziehen, dass zukünftige Generationen, besonders in den heutigen Entwicklungsländern, viel wohlhabender sein dürften als im Basisjahr 1990, das den Szenarien des IPCC zugrunde liegt. Tatsache ist, wie man in Abbildung 1 erkennt, dass selbst unter dem wärmsten Szenario des IPCC ein normaler Bewohner eines Entwicklungslandes im Jahre 2100 mehr als doppelt so wohlhabend sein wird wie ein durchschnittlicher Bewohner der USA im Jahre 2006, selbst wenn man die Reduzierung des GDP [Bruttoinlandsprodukt] pro Kopf vollständig für den Verlust von GDP durch die globale Erwärmung verantwortlich macht. Daher dürfte die Anpassungsfähigkeit der Entwicklungsländer im Jahre 2100 die heutige Anpassungsfähigkeit der USA weit übertreffen.

 

Abbildung 1: Gesamtes GDP pro Kopf 1990 bis 2200 unter Berücksichtigung der Verluste infolge der globalen Erwärmung für vier wesentliche Emissions- und Klimaszenarien des IPCC. Für die Jahre 2100 und 2200 wurden die Szenarien vom wärmsten (A1FI) links bis zum kühlsten (B1) rechts sortiert. Die mittlere globale Temperaturzunahme für die einzelnen Szenarien wird wie folgt angegeben: 4°C für A1FI, 3,3°C für A2, 2,4°C für B2 und 2,1°C für B1. Der Vollständigkeit halber: im Jahre 2006 betrug das GDP pro Kopf $19 300 in industrialisierten Staaten; $30 000 in den USA und $1 500 in Entwicklungsländern.

Quelle:  Goklany, Discounting the Future, Regulation 32: 36-40 (Spring 2009).

Und die Abbildung 1 berücksichtigt nicht einmal profane Weiterentwicklungen von Technologien, die während der nächsten 100 Jahre die Anpassungsfähigkeit weiter erhöhen dürften. (Man sollte keinerlei Vertrauen in Analysen haben, die nur von einem geringen oder gar keinem technologischen Fortschritt ausgehen). Zum Beispiel die Analysen der Erzeugung von Nahrungsmitteln und des Hungers ignorieren das Zukunftspotential von genetisch veränderten Anpflanzungen und Fortschritten in der Agrokultur (the analyses of food production and hunger ignore the future potential of genetically-modified crops and precision agriculture) um den Hunger zu reduzieren, egal wie. Diese Technologien sollten im Jahre 2100 (oder 2200) nicht nur wesentlich fortschrittlicher sein als heute, sondern auch viel erschwinglicher, selbst für Entwicklungsländer, weil sie dann wohlhabender und die Technologien viel kosteneffektiver sein werden.

Weil zukünftige Fortschritte der Anpassungsfähigkeit weitgehend ignoriert werden, sind die Auswirkungen in der Zukunft in jedem Falle grob übertrieben, einschließlich aller Ergebnisse, die behaupten, dass es zu einer “Massenhungersnot” selbst bei einer „moderaten Erwärmung“ kommen wird.

Zweitens, selbst wenn jemand diese mangelhaften Analysen heranzieht, die die globale Erwärmung erheblich übertreiben, findet man, dass der Beitrag der globalen Erwärmung zu grundlegenden Problemen wie eine Zunahme der Hungertoten, Malaria und Extremereignisse in absehbarer Zukunft relativ klein sind, jedenfalls im Vergleich zu den Beiträgen von Faktoren, die nichts mit dem Klimawandel zu tun haben. (Link: the contribution of global warming to major problems like cumulative mortality from hunger, malaria and extreme events should be relatively small through the foreseeable future)

 

Abbildung 2: Todesfälle im Jahre 2085 durch Hunger, Malaria und Extremereignisse mit und ohne globale Erwärmung (GW). Nur die höheren Schätzwerte der Todesrate infolge der globalen Erwärmung werden gezeigt. Die mittlere globale Temperaturzunahme von 1990 bis 2085 für jedes Szebario ist unter dem jeweiligen Balken vermerkt.

Quelle: Goklany, Global public health: Global warming in perspective, Journal of American Physicians and Surgeons 14 (3): 69-75 (2009).

Abbildung 2 zeigt auch, dass selbst bei einer hypothetischen Eliminierung der globalen Erwärmung die Todesrate im Jahre 2085 um höchstens 13% sinken würde (unter dem wärmsten A1FI–Szenario). Andererseits gibt es anwendbare Annäherungen [original: adaptive approaches], die zu 100% die Todesrate betreffen (einschließlich des Beitrages der globalen Erwärmung zu diesem Problem).

Die erste solche Annäherung ist die Brennpunktanpassung (focused adaptation), das heißt, die angewendeten Maßnahmen konzentrieren sich darauf, die Anfälligkeit für klimasensitive Bedrohungen zu reduzieren. Der Hintergedanke dieser Brennpunktanpassung ist, dass die Technologien, Praktiken und Systeme, die die Probleme durch, sagen wir, Malaria oder Hunger durch nicht mit der globalen Erwärmung verknüpfte Gründe reduzieren, auch helfen würden, die Probleme durch Hunger und Malaria infolge der globalen Erwärmung zu reduzieren. Sie auch “Climate Change and Malaria”.

Die zweite anwendbare Annäherung besteht darin, Barrieren aus dem Weg zu räumen und eine umfassende wirtschaftliche Entwicklung (broad economic development) zu fördern. Dies würde die Verwundbarkeit durch fast alle Probleme reduzieren, ob sie nun mit dem Klima zusammenhängen oder nicht. Dass diese Annäherung funktioniert, wird durch die Tatsache belegt, dass wohlhabendere Staaten eine niedrigere  Sterberate (im Verhältnis zum Alter) haben, unabhängig von den Gründen (und damit auch eine höhere Lebenserwartung).

Das grundsätzliche Prinzip hinter diesen anwendbaren Annäherungen liegt darin, dass die globale Erwärmung schon bestehende Probleme eher verschärft, als dass neue Probleme entstehen. Wenn wir die Anfälligkeit zum zugrunde liegenden Problem – man denke an Malaria, Hunger oder Extremereignisse – reduzieren oder lösen, würden wir auch die Verwundbarkeit durch den Beitrag der globalen Erwärmung zu diesem Problem reduzieren.

Wie Tabelle 1 zeigt, würde das menschliche Wohlbefinden durch diese beiden Annäherungen jeweils viel kosteneffektiver gesteigert werden können als durch eine Begrenzung der globalen Erwärmung (Link: human well-being would be advanced lot more cost-effectively through either of the two adaptive approaches)

Tabelle 1: Vergleich von Kosten und Nutzen der Verbesserung der menschlichen Gesundheit durch Reduzierung (Abschwächung) der Emissionen, Brennpunktanpassung und umfassende wirtschaftliche Entwicklung. MDG’s = Entwicklungsziele des Milleniums [Millenium Development Goals MDG]. Einträge in rot kennzeichnen eine Verschlechterung der menschlichen Gesundheit oder einer intakten Umwelt.

Quelle: Goklany, Is Climate Change the “Defining Challenge of Our Age”? Energy & Environment 20(3): 279-302 (2009).

Also, wenn Sie Fortschritte beim Wohlergehen der ärmsten Länder erzielen wollen, können sie das besser, sicherer und billiger durch angepasste Annäherungen erreichen als durch Technologien mit einem Null-CO2-Ausstoß. Solche Annäherungen werden das Wohlbefinden auch schneller steigern, da das [künstliche] Zügeln der Erwärmung unvermeidlich wegen der Trägheit des Klimasystems ein langsamer Prozess ist.

Ich entnehme Ihrem Blogbeitrag auch Ihre Zustimmung, dass die Lebensqualität von einer sicheren Energieversorgung abhängt. Wenn das so ist, würde ich dafür plädieren, dass der zunehmende Energieverbrauch eine viel höhere Priorität haben sollte als die Verfügbarkeit dieser Energie durch Technologien mit einem Null-CO2-Ausstoß zu entwickeln.

Zum Abschluss dieses Briefes habe ich eine Reihe von Artikeln zur Klimaänderung aufgelistet, die man auf jeden Fall lesen sollte, um die Punkte, die ich hier angesprochen habe, zu verstehen und die das Gesagte belegen.

Freundliche Grüße

Gastbeitrag von Dr. Indur Goklany auf Watts Up With That

Übersetzt von Chris Frey

Website: http://goklany.org; E-mail: igoklany@verizon.net

*Tom Nelson Link zu einem Blog mit einem Beitrag von Mr. Bill Gates mit dem Titel: „Leseempfehlung zum Klimawandel“ [Recommended Reading on Climate Change],

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Literaturhinweise (in denen die in diesem Brief geäußerten Gedanken ausführlicher behandelt werden)

1. Deaths and Death Rates from Extreme Weather Events: 1900-2008. Journal of American Physicians and Surgeons 14 (4): 102-09 (2009).

2. Climate change is not the biggest health threat. Lancet 374: 973-75 (2009).
3. Global public health: Global warming in perspective. Journal of American Physicians and Surgeons 14 (3): 69-75 (2009).
4. Discounting the Future, Regulation 32: 36-40 (Spring 2009).
5. Is Climate Change the “Defining Challenge of Our Age”? Energy & Environment 20(3): 279-302 (2009).
6. What to Do about Global Warming, Policy Analysis, Number 609, Cato Institute, Washington, DC, 5 February 2008.