Britische Öko-Aktivistin drängt die UNO, „Ökozid“ als internationales Verbrechen aufzunehmen.

Der Vorschlag an die Vereinten Nationen, den "Ökozid" als fünftes "Verbrechen gegen den Frieden" aufzunehmen, das vor dem Internationalen Strafgerichtshof  (IStGH) verhandelt werden könnte, ist die Idee der zur Aktivistin gewordenen britischen Anwältin Polly Higgins.
Die radikale Idee würde eine starke Auswirkung auf Industrien haben, denen umfangreiche Umweltschäden vorgeworfen werden, z. B. auf die fossile Energiebranche, den Bergbau, die Land- und Forstwirtschaft und die Chemie.
Die Befürworter eines neuen Ökozid-Gesetzes glauben auch, dass es zur Strafverfolgung von "Klimaleugnern" dienen könnte, die wissenschaftliche Erkenntnisse und die Tatsachen verbögen, um Wähler und Politiker von der Bekämpfung der globalen Erwärmung und des Klimawandels abzuhalten
"Ökozid ist im wesentlichen die genaue Gegenthese zum Leben," sagt Higgins. "Er führt zum Raubbau an den Ressourcen und wo dies übertrieben wird, folgt Krieg. Wenn solches Zerstörungswerk aus menschlicher Tätigkeit folgt, kann der Ökozid als ein Verbrechen gegen den Frieden angesehen werden.
Higgins, vormals eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwältin in London, hatte bereits Erfolg bei der UNO mit einer "Universellen Erklärung von Rechten der Erde" nach dem Vorbild der Er klärung der Menschenrechte. "Mein Ansatz war, wie wir eine Pflicht zur Erhaltung des Planeten schaffen, eine vorsorgliche Verpflichtung, dem Planeten keinen Schaden zuzufügen."
Nach einem erfolgreichen Start bei der UNO im Jahre 2008 wurde die Idee von der Bolivianischen Regierung aufgegriffen, welche eine Abstimmung in der Vollversammlung vorschlagen wird, und Higgins hat mit ihrer Kampagne für den Ökozid begonnen.
In die Wörterbücher ist der Ökozid bereits aufgenommen, doch die eher juristische Definition von Higgins würde lauten: "Ausgedehnte Zerstörung, Schädigung oder Vernichtung des Ökosystems (oder von mehreren) in einem bestimmten Gebiet, ob durch menschliches Handeln oder durch andere Ursachen, bis zu dem Grad, dass eine friedliche Nutzung durch die Einwohner des Gebietes ernstlich vermindert worden ist." 
Der IStGH ist 2002 zur Verfolgung von vier Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingerichtet worden: Völkermord, Kriegsverbrechen, Aggression [derzeit keine Strafverfolgung wegen Uneinigkeit über die Definition des Straftatbestandes], Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Higgins plädiert mit einer simplen Logik für die Aufnahme des Ökozids in die Liste: Raubbau führt zum Ökozid, welcher  zur völligen Erschöpfung der Ressourcen führt, und deren Erschöpfung führt zum Krieg." Der Zusammenhang besteht darin, dass bei erschöpfender Ausbeute einer Kapitalanlage nicht viel davon übrig bleiben wird, und um die Kapitalanlagen wird letzten Endes Krieg geführt, erläutert Higgins. Sie findet in der UNO und bei der Europäischen Kommission Unterstützung, auch bei Klimatologen, Umweltanwälten und internationalen Aktivi­stengruppen.
Es gibt bereits eine Diskussion um die Häufigkeit von Rohstoffkriegen zwischen Völkern, wie z. B. um Wasser. Und eine zunehmende Anzahl wichtiger Meinungsträger pflichtet dem bei. Jüngst sagte Sir David King, Englands früherer Chef-Wissenschaftler, ein Jahrhundert von "Kriegen um Ressourcen" voraus. Die UNO scheint viele dieser Argumente zu akzeptieren, wie aus der Reaktion auf den Bericht über Rohstoffkriege der Aktivistengruppe "Global Witness, Lessons Unlearned" hervorgeht.
Im Gegensatz dazu verweist Higgins darauf, dass der Ökozid allen Lebewesen Schaden zu fügt, nicht nur dem Menschen. Auf solche Art würde die Strafverfolgung ermöglicht, die sonst in juristischem Fingerhakeln enden könnten wegen der Frage, ob Menschen geschädigt wur­den, wie es in vielen Umweltverfahren gegenwärtig der Fall ist: "Wenn ein absoluter Straftat bestand geschaffen wird, kann man nicht mehr Jahre mit Argumentieren vergeuden: man braucht dann nur noch ein einziges Beispiel und wenn sich das als positiv erweist liegt der Fall sonnenklar."
Unter einem Ökozid-Strafrecht, das abschreckender wäre, weil Personen wie z. B. die Direktoren, und nicht nur die Unternehmen verfolgt werden könnten, müssten sich die traditionellen Energie-Unternehmen zu großenteils sauberen Energie-Unternehmen wandeln. Ein Großteil des Rohstoffabbaus müsste zurückgefahren oder gestoppt werden, Chemieproduktíonen, die Wasser und Böden verseuchen und Wildtiere ausrotten, müssten aufgegeben werden, und die großflächige Abholzung wäre nicht mehr möglich. "Ich fange gerade erst an, zu verstehen, wie groß diese Veränderung sein wird," meint Higgins.
Higgins will ihre Kampagne auf einer Webseite starten – thisisecoside.com. Sie bittet um globale Unterstützung um auf nationale Regierungen Druck auszuüben, dem geplanten Gesetz zuzustimmen, falls der Entwurf von der UN Law Commission angenommen wird. Termin für den Textentwurf ist der Januar und eine Abstimmung andere Ergänzungen ist für 2012 vorgesehen. Eine Zweidrittel-Mehrheit der 197 Mitgliedstaaten wäre für das Gesetz notwendig.
Higgins hofft, dass durch das UNO-Prinzip "EIN Mitglied – EINE Stimme" die wahrscheinlichen Widerstände einiger Staaten und verhüllte Geschäftsinteressen überwunden werden können. Auch glaubt sie, dass viele Geschäftsinteressen für klare Regelungen sprechen, weil sie zukünftigen Widerstand aus der Öffentlichkeit fürchten. Sie führt an, wie die amerikanische Fahrzeugindustrie bei Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg – trotz anfänglichen Widerstands – zehnmal so viele Flugzeuge herstellte, wie ursprünglich angefordert worden waren. "Das zeigt, wie schnell sich die Industrie anpassen kann."
Von Juliette Jowit
guardian.co.uk, 9. April 2010.
Die Übersetzung besorgte dankenswerterweise Helmuth Jäger für EIKE